Das Grasegger Magazin - No.9

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Herzlichst Ihr Franz Grasegger 1 Ich mag diesen Moment. Wenn ich dasitze, ganz in Ruhe, und diese Zeilen schreibe. Dann ist wieder ein Jahr vergangen und ich nehme mir die Zeit, es Revue passieren zu lassen. Gleichzeitig schaue ich nach vorn und freue mich, nicht an einem Ende, sondern an einem Etappenziel zu stehen. Dabei fest im Glauben, dass das Beste erst noch kommt. Das gibt so viel Motivation! So viel Energie! Energie. Dieses Wort hat das vergangene Jahr geprägt. Leider nicht positiv. Aber hier geht es um eine andere Energie. Die durch keine Pipeline fließt und am Ende auch keine Abgase produziert. Diese Energie entsteht durch besondere Momente, Menschen und Begegnungen. Sie ist auf einmal da. Oft, wenn wir sie gar nicht erwarten. Sie treibt uns an und macht uns glücklich. Sehr glücklich bin ich, dass ich diese Energie auch in meiner Arbeit finde. Ich spüre sie besonders, wenn ich an unserem Magazin arbeite. Sie begleitet die Ideensuche, lässt Geschichten wachsen und uns lange Nächte über jedem Detail brüten. Sie hilft uns bei der Auswahl der Outfits für unsere Modestrecken und erreicht einen Höhepunkt, wenn wir diese mit besonderen Menschen an ebenso besonderen Orten fotografieren. Das alles passiert im Team. Mit sehr vertrauten Menschen. Auf einzigartige Weise wird sie spürbar, wenn wir mit Nomi unterwegs sind. Sie verkörpert das eben Besagte mit einer ihr ganz eigenen Kraft und lässt ihr fotografisches Auge wandern, auch wenn es das Leben einmal nicht gut mit ihr meint. Genau dann wirft sie sich besonders hinein, weil sie genau weiß, dass dabei eine Energie entsteht, die sie nach vorne bringt! Die alles besser macht. Und in jedem ihrer Bilder sichtbar ist. Dabei verkörpert sie, was mir ein guter Freund und Mentor einmal gesagt hat: „Forget about work-life-balance. It is about work life fusion!“ Denn wenn wir lieben, was wir tun, wenn wir einen Sinn darin sehen, und uns an unseremTun erfreuen, dann muss man keine Grenze zwischen den Lebensbereichen ziehen. Dann geht alles ineinander über. Und macht uns glücklich. Ein Privileg, das ich leben darf. An das ich mich immer erinnere, wenn die innere Balance mal doch nicht stimmt. Dann hole ich das große Ziel zurück – habe es vor Augen und die Energie ist wieder da. Und wenn das einmal nicht reicht, dann muss man nochmal schauen. Zum Beispiel in der Familie, im Freundeskreis, in der Natur, beim Sport oder in der Kunst. Man muss nicht um die Welt jetten, um diese Energie zu finden. Sie steckt in den alltäglichen Dingen. Wir müssen sie nur erkennen. Und ihr erlauben, sich zu entfalten. Wir müssen positiv sein! Ich will hier nichts schönreden. Ich bin auch kein hoffnungsloser Romantiker, der die Augen vor der Welt verschließt. Aber es gibt nicht nur diese allgegenwärtigen Nachrichten der letzten Jahre. Es gibt das Schöne, das Positive, die erwähnte Energie. Meine Beispiele des letzten Jahres: Ich habe ganz einmalige Konzerte erlebt und ein großer Traum wurde mir am Arlberg erfüllt. Mir so nahestehende Menschen konnten nach zwei Jahren wieder aus den USA nach Garmisch kommen. Und ich konnte einfach besondere Momente mit meinen Freunden erleben. Meine ganz persönlichen Energietankstellen. Vor allem aber hat meine Schwester geheiratet und mich zu einem überstolzen Patenonkel eines unglaublich positiven, ausgeglichenen und glücklichen kleinen Buben gemacht. Er ist der beste Beweis für eine so abstrakte These: DAS LEBEN IST SCHÖN! Genießen wir es.

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3 INHALT 32 Ende mit Wende Im Gespräch mit dem Künstlerpaar Borchardt und Leuner 18 Kulisse im Wechsel Pures Holz und reine Wolle 6 Bergauf bergab Geschätzte Gesichter auf persönlicher Bühne 62 Auf der Spitze Fashion-Fusion am Osterfelder 56 Genussbetrachtung Was der Kauer nicht kaut, ist nicht drin. 40 Energiebündel Plattlsprung am Wank

4 ALLEIN AN DER TANKSTELLE S C H A N K S C H W E N K Hallo. Kann ich bei dir auch Energie zapfen? Vielleicht, Spezi! Spezi? Das ist gut – hilft mir aber wahrscheinlich nur kurzfristig. Weißt du, was immer hilft? Was denn? Lächeln! Beim Reinkommen, wenn du stehst und gehst … Ok und sonst? Vielleicht mal Tempo anziehen beim Rauflaufen. Wenn es bei mir in kürzeren Intervallen fließt, bin ich zwar schnell leer, fühle mich danach aber umso besser! Ab und zu Vollgas erhöht die Leistungsfähigkeit ... Muss es denn immer extrem sein? Nein, ein Spaziergang tut auch gut. Damals wie heute. Und vergleich’ dich doch nicht ständig. Ich vergleich’ mich ja auch nicht, zum Beispiel mit demWasserkessel. Er kann heiß, ich kalt. An Heißen-Schoki-Tagen tanke ich zum Beispiel auf. Und was machst du dann? Ich schau’ mir die Bilder an der Wand an, da hab’ ich schöne Momente immer vor Augen. In einem beständigen Rahmen. Oder ich mach’ mir bewusst, wie viele durstige Menschen ich in meinem Leben schon erfrischt habe. Wahnsinn! Dann geht’s mir richtig gut! Ein erstes breites Grinsen. Hallo liebe Leserinnen und Leser, ob man menschliche Energietankstellen findet, hängt meist von der eigenen Sicht ab. Ich denk’ da gerade oft an Frederick von Leo Lionni zurück. Ein Kindheitsbegleiter. Das Buch über eine kleine Feldmaus, die vieles anders macht als ihre Artgenossen. Es ist für mich aktueller denn je. Frederick sammelt Sonnenstrahlen und schöne Wörter, statt Vorräte. Und bereichert damit schlussendlich nicht nur sein Leben, sondern auch das der anderen. Ich mach’ jetzt einen Spaziergang. Im Schafwolljanker, aktuell kombiniert mit Leibwärmer Angora "leicht" aus dem örtlichen Sanitätshaus. Klingt unsexy, ist aber effektiv. Und textiler Teil meiner energetischen Optimierungsstrategie. Für die unser diesjähriges Magazin noch die eine oder andere Inspiration bereithält. Wenn man sich drauf einlässt. Dazu sind Sie wie immer sehr sehr herzlich eingeladen! Ein Stehgespräch … von Lisa Rühl

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6 SPOT ON Auf tolle Menschen, die Grasegger zum Leuchten bringen.

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8 AUGENBLICK MAL… MONIKA, REGINA UND ELISABETH! Was tust ihr gerade? M: Ich näh’ den Schürzensaum mit der Hand auf. Mit der Maschine würde man die Stiche sehen - so werden sie ganz fein. Sie nimmt einen einzelnen, fast unsichtbaren Minifaden und sticht zu. Geht das in die Augen nach ein paar Jahren? Ja, drum tragen wir alle Brille (Gelächter). Die immer stärker wird ... Und während ich ein lupenreines Kopfkino habe, frage ich Regina, woran sie gerade sitzt? R: Ich bereite grad das Oberteil für ein zweiteiliges Dirndl vor und hab hier im Innenfutter einen Lochgummi angenäht, wo später der Rock eingehängt wird, damit die beiden Teile nicht auseinanderrutschen und jede Bewegung mitmachen. Dann wechselt sie das Füßchen – nicht untermTisch, sondern an der Maschine - und ich schaue der Dritten im Bunde, nämlich Elisabeth über die Schulter: E: Ich nähe gerade die Paspole an, also ein Zierband auf den Dirndlausschnitt. Wir haben ja verschiedene Modelle, bei diesem hier ist das Dekolleté eckig und dementsprechend müssen wir bei den Bändern auch Ecken formen. Ist dir denn ein runder oder eckiger Ausschnitt lieber? E: Das kann man so nicht sagen. Die größere Herausforderung ist auf jeden Fall der Eckige. Die Herangehensweise, also wie man ihn optimal legt, haben wir hier ausgeklügelt und eingeführt. Unsere Ecken sind wirklich akkurat, die macht uns so schnell keiner nach. Also schon ein Stück Pionierarbeit hier … E: Ja und auch unsere Lehrlinge, die im dritten Jahr bei uns zum Schnuppern kommen, sind immer ganz begeistert, wenn sie das lernen dürfen. R: Und zu jedem Maßdirndlauftrag gehört ein Zettel, wo alles draufsteht, was der Kunde wünscht. Das ist ja immer individuell und den kontrollieren wir ständig, damit wir nichts vergessen. Näht ihr denn noch was nach Anleitung oder dann alles auswendig? M: Wir lesen nur das Modell – also ob Mieder, Dirndl, Langmieder mit Schoß, mit Falten im Schoß – und dann geht’s einfach los, da muss man nix mehr nachschauen. Wir bekommen die Schnittteile vom Schnittbüro mit Detailzettel und dann sind die Schritte genau festgelegt. Anfangs immer Bügeln und Getroffen & gefragt von Lisa Rühl

9 Vorbereiten mit Verstärken, dann Etikett auf Futter, hintere Nähte schließen usw. Das ist taktaktak, einfach Routine. Braucht man denn bestimmte Eigenschaften, um ins Nähhandwerk einzusteigen? R: Man braucht schon bissl a Ruhe, also zu hektisch sollte man nicht veranlagt sein (kleiner Schmunzler in meine Richtung). Aber ich glaub’ so jemand macht den Beruf auch nicht, man hat ja schon eine gewisse Vorstellung. E: Ja, eine gewisse Fingerfertigkeit, Vorstellungskraft und Liebe zu Material und Mode an sich sollte schon vorhanden sein. Habt ihr denn vorher mal etwas anderes gemacht? Alle: Nein, wir haben das alle direkt gelernt. Und wenn ihr euch so gut kennt, springt ihr dann auch mal zusammen in den See? E: Wir haben uns wirklich immer mal vorgenommen, miteinander auf den Berg zu gehen, ham’s aber zu dritt noch nicht geschafft. Zur Wettersteinalm wollen wir gerne. M: Vielleicht klappt’s nächstes Jahr gell? Das drucken wir hier doch mal schwarz auf weiß … Jetzt müss’n ma gell? (Gelächter) Aber hier macht ihr alle alles oder? E: Das war bisher so, aber seitdem uns die Barbara unterstützt, macht sie vornehmlich Röcke und Schürzen. Das ist für uns a Riesenhilfe, da das Dirndloberteil immer mehr Arbeit macht. Wenn man es im Gesamten sieht, sind bestimmt fast 3/4 der Zeit demOberteil gewidmet und wenn natürlich die fertigen Röcke schon dahängen, müssen wir zum Schluss nur noch zusammenfügen und sind schneller fertig. Man arbeitet einfach spezialisierter und wir können unsere ganze Erfahrung in den kniffligen Part einbringen. Und die Schürzen gibt es in der Machart „einfach gereiht“ oder „zehnfach gereiht“? Ein Schwenk zur Rockexpertin Barbara: Ja, bei den zehnfach Gereihten ist der Reihbund oben einfach breiter. Welche Formman lieber mag ist Geschmackssache und das hält sich bei Aufträgen die Waage – aber einfach gereiht sieht für mich bissl moderner aus. Monika Regina Elisabeth

1 0 Um wie viele Größen kann ein Maßdirndl mitwachsen oder anders gesagt – wie viele Kinder kann ich kriegen und nächtliche Schoki vertilgen, dass das Dirndl noch passt? Da schmunzeln die Dirndldamen und Regina sagt: Etwa eine Größe. Weil man nicht alles über die Seiten regulieren kann. Wir haben im Oberteil immer bissl Puffer, aber wenn man zunimmt, wird ja auch der Rücken breiter … Und kommt euch eure Fingerfertigkeit auch in anderen Bereichen zugute? M: Schon, also ich stricke gerne, zur Zeit einen Janker für meinen Enkel und da hilft das bestimmt. Macht ihr anderen auch sowas, oder haut ihr als Ausgleich nen Baseball über die Wiese? Dem völlig entgeisterten Blick von Regina folgt ein lachendes: Nein, sowas machen wir nicht. Aber zum Energie tanken machen wir jetzt alle drei Yoga. E: Und ich mach’ als Ausgleich hauptsächlich Outdoor-Sport. Ich muss einfach raus und mich bewegen. Gerne auf die Berge rauf, immer wieder und am liebsten in der Früh. Oder auf mein Lieblingsbankerl am Riegsee ... R: Ja, ich wohn’ da auch gleich unterhalb und die Rundn da rauf is mei Auftankplatz. Nochmal den Blick in dieWeite schweifen lassen, des tut einfach gut. Außerdem haben wir alle schon Enkel, das ist einfach was Scheens. Weil man alles andere ruhen lassen kann und sich nur um das Kind kümmert. Das ging früher so nicht, weil da war ja der Haushalt und alles. Dieses nur für die Enkelkinder da zu sein, das genießen wir sehr. Habt ihr denn hier in der Arbeit ein gemeinsames Ritual? R: Unsere gemeinsame Mittagspause mit einem Kaffee zum Abschluss. M: Dazu muss man sagen, dass wir alle drei echt gut auskommen. Da freut man sich, wenn man in die Arbeit kimmt. Mia san tatsächlich so a Dreierpack, seit Beginn an. Merken denn die anderen, wenn du mal nicht gut drauf bist Monika? M: Na, mia san imma gleich. Es ist koana launisch, es ist koana zickig – das ist genau das, was uns drei ausmacht. Wirklich. Des kann i doppelt unterstreichen. Und was mögt ihr neben der menschlichen Komponente noch privat an eurem Beruf? E: Dass man sich in vielem selbst helfen kann. Denn bei dem, was zu Hause so anfällt, muss man schnell mal zur Nähmaschine greifen. Da ist’s doch wunderbar, wenn man das kann! Also ich kann mir immer gar ned vorstellen, wie manche ohne selbst zu nähen leben können. Ich kauf ’ zum Beispiel auch mal ein Kleidungsstück, das es nur noch in Größe 42 gibt und mach’ es mir halt kleiner. Das kalkulier’ ich im Kopf gleich mit ein. Das heißt Elisabeth kann im wahrsten Sinne alles tragen – wir lachen. Und noch etwas können diese drei besonders gut. Nämlich auf schönste Weise zeigen, wie weit einen das zwischenmenschliche Wohlgefühl bringt. Für mich ein neuer alter roter Faden ... // Graseggerzeit: Als Rechenaufgabe mit Startjahr - M: 2005 + E: 2008 + R: 2010 =? Arbeitsstatus: Im Einklang mit sich und der Juki Aufgabenbereich: Oberteile im Fokus Jobbeschreibung: In fester Frohnatur-Formation Anziehansatz: Von klassisch kariert bis farbig flott Energietankstelle: Weiter Blick trifft menschliche Nähe

1 1 Was tust du gerade? Ich mach’ jetzt grad a Feuer, damit wir hier warmes Wasser haben. Und dann geht’s weiter mit den Vorbereitungen für den Tag – Töpfe aufsetzen, Kaffee kochen, Küche herrichten. Wie kam’s zu der Entscheidung, dass du hier auf der Jocheralm aushilfst? Also das gehört ja meinem Onkel und meiner Tante, die das heuer als Pächter übernommen haben. Und ich wollt’ schon immer mal auf die Alm gehen - drum sind wir gleich ins Reden gekommen und haben dann ausgemacht, dass ich den Sommer ab und zu helfe. Aber tagsüber, wenn die Gäste kommen, ist bestimmt ganz schön was los? Ja, klar. Aber durch des, dass wir eine Familie san und gut auskommen, ist das immer irgendwie mit Spaß verbunden, auch an stressigen Tagen. Normal machen wir alles per Hand, ohne Strom. Nur wenn viel los ist, läuft die Spülmaschine mit Aggregat. Dann ist mei Tante nur für Kaiserschmarrn da – Kaiserschmarrn-Drama sagen wir dann immer ... (lacht) Ab wie viel Kaiserschmarrn spitzt es sich zu? 80 am Tag. Ist es dann eher erholsam, wenn du in den Verkauf beim Grasegger zurückkehrst? Das ist was anders. Aber auch schee, weil man für die Leut’ Zeit hat. Hier bekommen sie das Essen und dann geht’s weiter mit dem Nächsten. Das ist unten im Geschäft ned so. Drum gfrei i mi jetzt auch wieder auf die Zeit, wenn ich ganz beim Grasegger bin. Des hat einfach beides was. Beim Grasegger findet man dich in der Herrenabteilung, warum dort? Ich war am Schluss meiner Ausbildung bei den Herren und da hat’s mir einfach am besten gefallen. Und grad so die „Hiesi-Abteilung“ (= hinterer Bereich im Obergeschoss), das passt einfach zu mir, das leb’ ich sonst ja auch. I war bei de Plattler, I bin bei de Schützen, das ist einfach so und das Traditionelle gehört für mich dazu. Und allein schon die Ware ist für mich hier bsonders – i war mal bei Meindl dabei, der macht ja unsere ganzen Lederhosen, und es war total interessant zu sehen, wie das alles so hergestellt wird. Denn auch wenn es heißt Maschinenstick werden zum Beispiel die Innenseiten von Hand verknüpft oder bei den Reliefstickereien per Hand noch kleine Fäden zugefügt, damit diese herauskommende Optik entsteht. I mog des einfach. Worauf achtest du, wenn du eine Lederhose verkaufst? Dass die Hose gut passt. Und i sag’s dem Kunden auch, wenn’s nicht optimal ist. Du machst also beruflich beständig die Hinternkontrolle … Ja (lacht), da gibt’s schlimmere Sachen. AUGENBLICK MAL … FRANZI! Graseggerzeit: Seit 2013 Arbeitsstatus: Mit Höhenunterschied Aufgabenbereich: Zwischen lederner Hose und forstgrünem Zwirn Jobbeschreibung: Hiesi easy Anziehansatz: Strick first Energietankstelle: Im familiären Miteinand

1 2 Es heißt, dass die kaiserliche Dienerschaft früher zwecks Patina Hosen vortragen musste – heute hat man dafür die Used-Look-Optik. Taugt dir die? Ja, auf jeden Fall – und grad in den braunen Farbtönen haben wir eigentlich größtenteils so UsedLook-Sachen. Aber a Patina kriagt a Lederhosn trotzdem erst, wenn’s eingetragen ist. Drum muss man sie einfach oziagn. Welche Teile ziehst du noch aus den Regalen? Wir haben natürlich auch die Forstgrünen, ein ganz traditioneller Trachtenanzug, sehr festlich. Und dann gehört noch der gesamte Handstrickbereich dazu, das ist so ein Alltagsding zur Jeans, mit Hemd, da ist man immer ozogn. Oder auch bestimmte Manufaktur-Hosen, die jeden Tag gehen. Die sind dann aus leichteren Lodenstoffen und schmaler geschnitten. Das schaut zur Strickjacke super aus. Und Hüte ... Ah, genau! Das wollte ich dich eh fragen – trägt man noch Hut? Auf jeden Fall. Die Klassiker sind „der Werdenfelser“ und „der Dreher“ – der Dreher ist bissl kleiner und hat bissl a kleinere Krempe. Der Werdenfelser ist niedriger und hat a ganz breite Krempe. Die Hutform hat sich in den letzten zehn Jahr’ sehr verändert, viel ist jetzt angelehnt an das, wie man’s früher gehabt hat. I find’ Huat ist nicht am Aussterben, eher im Gegenteil. Festlich ist Hasenvelours in grün oder schwarz, Lodenhüte als Werktagshut und wir haben Strohhüte im Sommer. Die san immer gleich weg. Und wen würdest du gerne mal einkleiden? (Kurze Pause, dann herzerwärmend klar): Weißt wen ich wirklich gern mal einkleiden dad? Mein Papa. Der hat an Forstgrünen und der ist total fertig und der gstellt sich da bissl. Das dad ich am liebsten mal machen - ihm an neuen Forstgrünen ausmessen ... Also Papa – da bist jetzt wohl bissl festgenagelt ... Und noch eine Spontanbauchfrage - was magst du amWinter lieber als am Sommer? Das friah dunkel ist, dass man auf d’Nacht mehra zur Ruhe kimmt. Wir haben im Sommer auch daheim viel mit der Landwirtschaft zu tun, da ist ein Tag strenger als der andere, sog i mal. I mog den Wintereigentlich echt gern, auch wenn das hier jetzt im Sommer ist – grad im November tank’ ich eher auf. Da kimmt man irgendwie so runter, find’ i, da wird alles a bissl langsamer. Da werden bei uns am Hof die ganzen Bluama verräumt und dann ist alles so klar. Weißt wie ich mein? Des mog i. //

1 3 Was tust du gerade? Ich druck’ grad unseren Fertigungsplan für die Woche aus. Wir machen hier ja die Einzelbestellungen, also von Kunden, die im Geschäft was individuell in Auftrag geben. Da sind Jacken und Westen dabei, es kann ein Mantel sein oder nur eine Futtererneuerung. Auch die Muster für die ManufakturKollektionen nähen wir. Bist du direkt nach der Schule zum Nähen gekommen? Nein, ich hab’ erst eine Ausbildung zur Bürokauffrau gemacht. Aber ich wollt’ schon immer schneidern und hab’ lustigerweise damals nichts in die Richtung gefunden, obwohl ich in Farchant wohne und die Manufaktur vom Grasegger eigentlich vor Augen hatte (lacht). Du hast es aber dann durchgezogen – woher kam der Drang, das zu tun? Eigentlich über das Kreative. Ich wollt’ immer schon was Handwerkliches machen und ursprünglich Maßschneiderin werden. Bin aber jetzt Modeschneiderin, also mehr in die Industrierichtung gegangen, und eigentlich froh darüber. Mia haben hier mehr Automaten als in der Maßschneiderei, zum Beispiel eine Knopflochmaschine, einen Taschenautomaten und Doppelsteppstichnähmaschinen. Da kimmst einfach schneller voran. Wenn ich dich so seh’, passt das doch ganz gut zum Temperament … (wir grinsen) Ja und das Technische taugt mir auch. Außerdem fand’ ich in der Ausbildung echt super, dass i ned nur die Näherei gelernt hab, sondern auch in der Änderungsschneiderei und bei den Maßdirndln war. Dazu hab i die Stickmaschine kennengelernt, die Hosenfertigung – konnte einfach viel durchlaufen. Und was speziell beim Grasegger noch cool war, ist, dass wenn du hier nach der Lehre als Gesellin übernommen wirst, sie dich zu einem Trachten-Bekleidungskurs in Salzburg schicken. Den mach’ ich aktuell und lern’ dort auch, eigene Schnitte zu entwickeln, was man in der Ausbildung so nicht tut. Und war die Ausbildung nach der Ausbildung deine bisher größte Wendung im Leben? Auf jeden Fall eine große, ja – weil es doch nochmal fünf Jahre waren, wenn man’s zamrechnet und ich hab’s trotzdem abgeschlossen, also beide Berufe. Hat dich der Modeschneiderin-Move denn typmäßig verändert? Nein, i war schon immer so. Und vui meinen immer, weil ich Schneiderin bin, muss man da mega designinteressiert oder in eine bestimmte Richtung sehr modisch sein, aber des is bei mir ned so. Bei mir ist es mehr das Handwerkliche, dass ich jetzt für mi was selber machn kann und des dann zu sehen: Hey cool, das hab i gmacht – das gfreit mi dann einfach. Hast du dir denn schon früher mal fürs Farchanter Waldfest oder so ein Dirndl genäht? Nein, das tatsächlich gar nicht. I hab’ davor nie richtig Zeit gehabt, weil ich so viel andere Sachen mach’ (lacht). Zum Beispiel spiel’ i Fußball, bin im Bauerntheater und bei de Plattler dabei, zeichne gern, bin viel mit Freunden unterwegs, geh’ zum Laufen und Radlfahren – eigentlich von allem a bissl was. Wobei Fußball das ausschlaggebendste Hobby ist, was jede Woche dazu gehört. Da bin ich von klein auf dabei und viele Spielerinnen sind echte Freundinnen geworden, des is dieses Teamsport-Ding ... AUGENBLICK MAL … KATHI!

1 4 Graseggerzeit: Seit 2020 Arbeitsstatus: Doppelsteppstich mit Differenzialobertransport Aufgabenbereich: Ärmelweit und knopflochgenau Jobbeschreibung: Fusselfrei ins Farchant-Finish Anziehansatz: Lässig! Energietankstelle: Im Sturm über den Fußballplatz Team-Skills sind hier ja auch gefragt, zum Beispiel wenn du die Lehrlinge anleitest? Ja, die starten bei uns mit einem Einlauf … - als das Wort wirkt, müssen wir schmunzeln und Kathi ergänzt: Damit ist gemeint, dass sie anfangs nur mit der Vorbereitung der Schnittteile beschäftigt sind – im Jackenfall heißt das, dass man die Taschen vorbereitet, Abnäher schließt und Kanten mit einem Nahtband fixiert. Dann kommen immer mehr Nähparts dazu. Zu meinen Hauptaufgaben gehört beispielsweise das Ärmeleinnähen. Was kann denn schiefgehen beim Ärmel- einnähen? Dass das Loch zu klein wird, also man die Weite nicht richtig einhält. Und was steckt noch im Ärmel? Da wird zum Beispiel noch ein Schulterpolster eingearbeitet oder ein Ärmelfisch … ??? Das ist eine Wolleinlage in Streifenform, die dafür sorgt, dass der Ärmel schöner fällt. Sonst macht der Ärmel einen Innenknick, mit Einlage schmiegt er sich beulenfrei an. Und welche verzierenden Extras kann ich als Kunde bei euch bekommen? Zum Beispiel entscheiden, ob die Knöpfe tonig oder in einer Kontrastfarbe angenäht werden sollen oder ob ich eine Stickerei auf dem Oberstoff möchte … Geht da denn jedes Muster, also könnte ich mir auch einen Anker wünschen? Könntest du … (Pause, in der die Begeisterung für den Vorschlag ausbaufähig ist) wenn man das will (lacht). Ansonsten nehmen wir die Vorgaben, die zur Modellbeschreibung gehören. Außer es steht eben ein anderer Kundenwunsch amMitlaufzettel – manche möchten zum Beispiel die Knöpfe selbst annähen oder noch weitere Details umgesetzt haben, die so am Ursprungsmodell nicht vorhanden sind. Ok und vom Modell zum Stoff – wie schaut es denn da aus – welche magst du persönlich? Vom Nähen her ist Loden am leichtesten und lässt sich gut bügeln. Ich selbst mag am liebsten Baumwoll-Wollgemische. Aber sowas Dünnes, Seide oder so, das bin ich nicht. Und gibt’s ein Land, das dich modisch inspiriert? Also die großen, auffälligen Muster aus Spanien gefallen mir auf Röcken schon gut … und ich hab’ mal einen Beitrag gesehen über das SchottenrockNähen, des find ich ganz interessant. Stimmt, das ist dem hiesigen Lodenstyle wahrscheinlich gar nicht unähnlich? Ja, i glaub’ dass das ganz spannend ist, wie man das vielleicht hierher übersetzen könnte. Das nehmen wir doch als kleinen internationalen Austauschgedanken am Rande … //

1 5 AUGENBLICK MAL … THERESA! Graseggerzeit: 11 Jahre Arbeitsstatus: Täglich auf Kombinationsreise Aufgabenbereich: Gestaltet, gedresst, gelegt Jobbeschreibung: Typverwandlung mit Fingerspitzengefühl Anziehansatz: Naturton meets Lackschuh Energietankstelle: Auf der Bühne des Lebens Was tust du gerade? Ich bereite ein gelegtes Outfit für ein Fotoshooting vor. Diesmal für die ALPS. Ein Magazin rund um alpine Lebensart, das super zu uns passt und wo wir in regelmäßigen Abständen modische Inspirationen beisteuern dürfen. Und du planst was reinkommt? Ja, zusammen mit unserer Einkäuferin Andrea und unserem Dekorateur Fritz. Ich schau’ was grad aktuell ist und farblich gut harmoniert und überlege mir dann, welcher Untergrund dazu passt, welche Accessoires das Ganze gut ergänzen ... Etwas, das du offensichtlich gerne machst ... Das lieb’ ich. Das hab’ ich von klein auf immer schon gehabt, dass ich mich gerne mit Deko beschäftige. Ich war immer schon ein kreativer Mensch und darum bringt mir das richtig viel Spaß. Dekorierst du dann nur projektbezogen, weil du ja eigentlich im Verkauf arbeitest? Nein, ich mach’ das immer dazu und bin in der Herrenabteilung etwa alle 14 Tage fürs neue Warenbild zuständig – dazu gehören die Highlights auf den Präsentationstischen, aber auch die komplette Deko fürs Schaufenster. Immer wenn neue Ware kommt, stimme ich mich im Team ab und kümmere mich nach der Auswahl dann auch um das ergänzende Material drumherum. Woher bekommt man das Gespür, was gut zusammenpasst? Bissl bekommt man das schon in die Wiege gelegt, würd’ ich sagen. Aber dadurch, dass ich jetzt elf Jahre hier dabei bin, entwickelt sich das Gefühl, wie man’s kombiniert oder anzieht natürlich weiter – aber vor allem auch, was welchem Kunden wirklich steht. Und gibt es einen Herren-Alleskönner, der in richtiger Größe immer ein Treffer ist? Eine Kombi mit unseren schönen Strickteilen – davon sind sogar viele aus unserer eigenen Manufaktur. In Strick ist man nie zu trachtig, aber zeitlos gut angezogen. Super zu Jeans und T-Shirt oder auch zu einem ganz modischen schmal geschnittenen Hemd.

1 6 Und Lampenfieber – hast du das und wenn ja, wie gehst du damit um? Das spüre ich hauptsächlich, wenn ich ins Publikum schau’. Aber das hab’ ich mir mittlerweile schon abgewöhnt. Und a Schnaps geht natürlich vorher auch immer (lacht). Wofür kannst du dich noch so richtig begeistern? Für die Natur. Wenn ich seh’ wie die sich im Laufe der Monate immer wieder verändert, das ist gerade jetzt im Herbst so richtig schön. Besonders die Farben ... die zeigen sich auch in meiner Kleiderwahl, weil ich am liebsten Naturtöne trage. Und wie das riecht! Speziell der wunderbare Duft von Holz. Und noch ein Alltagsenergiespender? Ist für mich tatsächlich die Arbeit, wegen der Kollegschaft hier. Wir haben echt ein tolles menschliches Miteinander und das gibt einem ein super angenehmes Gefühl. Von alt bis jung … bis wild … (lacht) es ist alles mit dabei und man versteht sich trotzdem gut. // Gibt’s auch richtige Typveränderungen - im Ballonseidenjogger rein und im Anzug raus? Nicht gerade in Ballonseide (schmunzelt), aber das passiert bei den Männern recht häufig, ja. Für mich mit ein Grund, warum ich den Bereich so mag. Weil Männer meist mit weniger festen Vorstellungen kommen als Frauen und man wirklich helfen kann. Zum Beispiel haben wir viele Allgäuer Hochzeiter bei uns. Da ist die Verwandlung oft gigantisch. Sie gehen in Holzclogs, Fellgürtel und Karohemd in die Kabine rein und kommen in Stresemannhose und passender Joppen-Einstecktuchkombi wieder raus. Und auch manche Urlaubsgäste, denen der alpine Stil noch nicht so vertraut ist, haben dieses Vorher-nachherErlebnis. Meist kombiniere ich da Mode- und Trachtenbereich und freu’ mich dann über die Rückmeldung, „dass das wirklich mal ganz anders ausschaut“. Apropos Typveränderung – man trifft dich gerne im Fasching und auf der Bühne im Grainauer Bauerntheater. Weil du gerne in andere Rollen schlüpfst? Ich liebe es einfach, mal nicht ich selbst zu sein. Das macht so Spaß und drum bin ich im Theater auch gerne nicht das normale Mädchen, sondern die, die größere und ausgefallenere Rollen spielt. Seit 2013 bin ich da dabei und seit 2015 bin ich im Ausschuss gelandet und hab’ heuer das erste Mal die Aufgabe gehabt, die Regie zu leiten. Inspirieren die gespielten Figuren denn die Theresa im Alltag? Ja scho. Es ist echt erstaunlich, wie man sich durch die Theaterrolle selbst neu wahrnimmt. Und das eigene Verhalten auf einmal anders sieht. Was hab’ ich anders gemacht, wo mich besonders wohl gefühlt? Das ist wie eine Art Film vor Augen ... bei mir ist dadurch auch die Erkenntnis gewachsen, dass man im Leben einfach der Mensch sein muss, der man sein will. Den Mut dazu zu haben und ned – immer wenn man einen kleinen Rückschlag hat – wieder zurück zumMauerblümchen zu kehren, sondern den Weg nach vorne zu gehen. „Das Theater hilft, auch im Privaten den Mut zu haben, der zu sein, der man sein will.“

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1 8 Strickjacke mit Zopfmuster aus reiner Merinowolle in zwei Farben gefertigt in Bayern 279€ / Blusen in verschiedenen Farben und Mustern ab 99€ / Hut aus Werdenfelser Schafwolle gefertigt in Bayern 169€ / Handstulpen 59,90€

KUNST REICH I N D E R H O L Z W E R K S T A T T C H R I S L E U N E R 1 9

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2 1 Pullover von Hannes Roether 219€ / Taftrock 169€ / Tasche von Brasi & Brasi 129€ / Ohrringe 59,90€ / Ohrstecker ab 44,90€

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23 Pullunder im Norwegermuster von Maerz München 149€ / Flanellbluse mit Rüschen 179€ / Mützen in verschiedenen Farben von Le Bonnet 69,90€ / Pullover im Norwegermuster von Maerz München 189€ / Nadelstreifen Hose von Closed 229€ / Tasche groß 99€ / Handtasche klein 99€ beide handgestrickt aus Werdenfelser Schafwolle

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25 Overshirt 229€ / Strickjacke 219€ beides in je zwei Farben gestrickt in Schurwoll-Merinomischung mit Holzknöpfen von 2964 Garmisch exklusiv bei Grasegger

Flanellhemden kariert ab 89,90€ / Mützen in verschiedenen Farben von Le Bonnet 69,90€ / Overshirt kariert aus Fleece 139€ / Overshirt aus Breitcord 229€ / Pullover mit Knopfleiste 119€ / Pullover mit Rollkragen 139€ / Pullover dreifarbig 119€ 26

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28 Strickjacke mit Zopfmuster aus reiner Merinowolle gefertigt in Bayern 279€ / Taschen in verschiedenen Größen von Brasi & Brasi ab 89€ / Schal in verschiedenen Farben 149€ / Mützen in verschiedenen Farben 69,90€

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30 Pfoad in verschiedenen Mustern und Farben ab 69,90€ / Strickjacke mit Reißverschluss 299€ / Mütze 119€ / Strickweste mit Zopfmuster 229€ / Strickjanker mit Muster 319€ alles handgestrickt aus Werdenfelser Schafwolle exklusiv bei Grasegger

3 1 „Manchmal muss man sich fertige Werke anschauen, um zu verstehen, wie viel Energie man in sich trägt.“ Christoph Leuner

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33 FARBIGE WÄNDE UND SCHWARZER TEE „Uns gefällt so gut, was du machst. Hast du daher nicht Lust, an den Adventssamstagen bei uns Schauzu-Drehen und deine Sachen zu verkaufen?“ Mit dieser Frage von Thomas Grasegger an Steffi ging es 1984 los. Mit der Verbindung Grasegger-BorchardtLeuner, die bis heute besteht und der Keramikmeisterin Steffi viel bedeutet: „Es gibt wenig Leute, die meine Arbeiten so wertschätzen und mich immer unterstützt haben. Gerade wenn man allein arbeitet, hat man auch mal Durchhänger, da hilft das sehr.“ Ich lasse jegliche Durchhängergedanken hinter mir, als ich „die Ferienwohnung im Töpferhaus“ betrete. Wo der dampfende Tee aus Steffis Kanne mit warmen Wandfarben zusammenkommt und auch ihr Mann, Christoph Leuner, für einen kleinen Gedankenaustausch mit am Tisch sitzt. Was ich über die beiden weiß? Nicht viel. Nur dass Steffi in wunderbarer Weise töpfert und Christoph in seiner Holzwerkstatt schlichtschöne Möbel und Skulpturen fertigt. So ergibt sich teerundenentspannt auch gleich die erste Frage ... Nämlich ob sich die beiden beim kreativen Schaffen gegenseitig befeuern oder lieber eigenbrötlerisch abtauchen – also ’collective force’ oder künstlerisches Solo? Christoph: „Wir stützen uns, das kann man schon sagen. Wobei wir sehr individualistisch sind, jeder in seiner Sparte.“ Steffi, schmunzelnd: „Und das ist auch gut so, dass wir jeder unseren eigenen Bereich haben. Denn so begegnen wir uns auf Augenhöhe und keiner hat den Chefposten.“ Dieses angenehme „auf Augenhöhe sein“ sitzt gefühlt mit am Tisch und wirkt auf mich wie ein ziemlichgesunder Ansatz. Auch, um eigene Talente rauslassen zu können? Steffi: „Ja. Schnittmengen gibt’s bei uns eher in ergänzendenTätigkeiten – zumBeispiel fotografiert Chris meine Werke, weil er dafür ein gutes Gespür hat. Aber wenn einer von uns in der Werkstatt was Neues ausprobiert, zeigen wir uns das natürlich auch und geben jeweils unseren Kommentar dazu.“ In meinem Kopf manifestiert sich die bekannte Töpferszene des Films „Ghost – Nachricht von Sam“ und ich muss fragen, ob Familie Borchardt-Leuner doch schon mal gemeinsam die Töpferscheibe gedreht hat? L I S A R Ü H L T R I F F T K Ü N S T L E R P A A R L E U N E R & B O R C H A R D T „ E H E R KO P F B E T O N T A L S S Ü F F I G “ U N D „ U N V E R M AT S C H T E H R L I C H “ . H E R R L I C H !

34 Chris bringt jegliche Hollywood-Phantasie aufs bodenständige Holzparkett zurück: „Ich kenn’ den Film gar nicht (wir lachen), aber ich würd’ ihr nie ins Handwerk greifen. Da ist tiefster Respekt davor!“ Steffi: „Außerdemmag er das Nasse, Pampelige nicht. Und ich mag wiederum seine ganzen Maschinen zur Holzbearbeitung nicht. Es ist toll, dass jeder Seins hat. Das würde sonst auch nicht funktionieren.“ Und was treibt euch beim Arbeiten an? Ist das ähnlich konträr? Steffi: „Da haben wir unterschiedliche Ansätze. Bei mir steht immer im Vordergrund, Dinge mit Funktion zu schaffen. Ich möchte, dass meine Kunden die Keramik benutzen – sie soll nicht nur schön rumstehen (kleines Grinsen über den Tisch). Alle Ideen entstehen aus dem Gebrauch heraus. Und meine Motivation, Sachen weiter zu entwickeln, kommt hauptsächlich durch meine Kunden. Wenn sie fragen, „was haben Sie denn Neues?“, dann stachelt mich das an. Das ist ein Kick. So wie bei Chris auf Ausstellungen …“ Chris: „Natürlich bin ich empfänglich, wenn ich auf einer Messe mit meinen Sachen steh’ und es gefällt jemandem. Aber ich brauch’ das nicht so sehr. Und mein Ansatz ist nicht über die Funktion, sondern eher intrinsisch – das heißt ich muss es machen, ich mach’s für mich.“ Mein Blick schweift von Steffis Geschirr zum skulpturalen Holzobjekt von Chris. Serie versus Einzelstück. Was wohl da jeweils bei der Herstellung den Glücksmoment beschert – das meditative Drehen oder eher das Ergebnis? Chris: „An der Töpferscheibe findet man schon durch die Wiederholung vertrauter Formen eine gewisse Ruhe, also Quantität und Qualität. Dennoch bringt die kreative Ausgestaltung des einzelnen Stückes letztendlich den Schub – kann man das so sagen Steffi?“ Steffi: „Ja und man muss dazu sehen, dass ich am liebsten Kleinserien mache. Das heißt ich produziere zu einer bestimmten Form etwa zehn, zwölf Stück und dann variiere ich. Über Dekoration, Glasuren und eigene Farbmischungen – das Durchspielen ist eigentlich die Arbeit, die mir am besten gefällt.“ Da scheint die Polarität zum Ehemann glatt aufgehoben. Und passend dazu, zeigt mir Chris eine Übersicht verschiedener Holzobjekte, die auch wie eine Serie daherkommen ... Chris: „Ich mach’ zum Beispiel gedrechselte Dosen aus Holz – das sind eher sinnfreie Arbeiten (schmunzelnder Augenzwink über den Tisch) – man kann sie aber öffnen. Sie sind aus der Überlegung entstanden, was man einem Kind, in dem Fall meiner Tochter, zur Taufe mitgibt. Die Idee war, nicht den Inhalt vorzubestimmen, sondern die Hülle, das Gefäß. Das Kind kann selbst entscheiden, was die Inhalte sein können. Das kann ein Gegenstand sein, aber tatsächlich auch einfach ein schöner Gedanke oder eine Erinnerung. Seitdem nenne ich sie Hohl- Körper, weil sie im Ursprung von der menschlichen Silhouette inspiriert waren.“ Und während mir der Gedanke gefällt, dass so ein Holzobjekt auch noch das Erwachsenenalter begleitet und immer neu aufgefüllt werden kann, fügt er noch ergänzend hinzu: „Aber schau mal, es geht auch um die Fülle meiner Arbeiten an sich. Die mir immer vor Augen führt, was ich tatsächlich geschafft habe, in so einer Zeit. Und dass genau diese Energie mich das machen lässt und in mir steckt.“ Ja. Das sollte man wirklich öfter tun – Bilder und Dinge hervorholen, die zeigen, was man schon alles geschafft hat. Ein Selbstwertbooster. Ob der im Handwerk besonders stark ist, wenn man zum Beispiel wie Steffi aus „pulvriger Erde“ so tolle Stücke fertigt? „ ICH GLAUB ’ , WENN ICH NICHTS MEHR VERKAUFEN WÜRDE , WÜRDE ICH AUFHÖREN. WEI L DAS FÜR MICH EINE GEWI SSE S INNLOS IGKEIT BEDEUTEN WÜRDE . NUR, DAMIT ES HERGESTELLT I ST – DAS REICHT MIR NICHT. “ Steffi

35 Steffi: „Das ist schon erstaunlich. Und auch ein Urerlebnis, wenn man das erste Mal mit seinen Sachen am Stand steht und dann kommt jemand und kauft das. Der Wahnsinn!“ Also würdet ihr jeden handwerklich aktiven Menschen ermutigen, sich bei einer Ausstellung oder auf einem Markt mal auszuprobieren? Steffi: „Ja! Man erlebt natürlich Flops, haben wir beide gehabt.“ Chris: „Und alle Arten von Response, auch Ablehnung – selbst manche Kollegen in der Schnitzschule (er lehrt dort) wissen manchmal nicht viel mit meinen freien Arbeiten anzufangen. Weil sie jenseits des Möbels sind. Und meine Schüler kennen diese Werke nur, wenn sie in der Werkstatt vorbeikommen. Aber das ist auch gut so, weil sie ihren eigenen Stil finden sollen. Jetzt bin ich in Rente und unterrichte nur noch Drechseln.“ Was magst du daran? Chris: „Dass es relativ schnell geht und natürlich das Knuffige der runden Form. Drechseln an sich ist aber todlangweilig (prompt ein lachender Einwurf von Steffi: Danke, Danke!) und darum ist es mein Bestreben, das Eintönige zu brechen: Durch gezieltes aus der Mitte gehen, Schrägstellen der Objekte oder das Facettieren (durch Schneiden mit Facetten versehen) – das hab’ ich übrigens vom Töpfern. In die runde Form eine gewisse Kantigkeit hineinzubringen, durch nachträgliches Bearbeiten. Einfach eine individuelle handwerkliche Ausgestaltung …“ Steffi: „Das war für mich auch ein entscheidender Wendepunkt beim Grasegger, wie sie mit der Manufaktur angefangen haben. Weil sie seitdem nicht mehr nur Handel treiben, sondern auch selbst entwerfen und produzieren. Ich finde, das hebt diesen Laden von allen anderen ab. Sie kennen einfach beide Seiten, die verkaufende und die handwerkliche. Das ändert das Selbstverständnis.“ Das bringt mich gedanklich zum Ort, wo wir gerade sitzen. Eine Ferienwohnung, die neuerdings zum Haus der Familie gehört. Vor allem die farbigen Wände fallen auf und stehen eher im Gegensatz zu Christophs purem Style – hat sich da auch das Selbstverständnis geändert? Chris: „Farben zu lieben haben wir schon vor langer Zeit in England und Irland gelernt. Welche Raumstimmung über Wandfarbigkeit entsteht – das ist unheimlich spannend und dahingehend gibt es auf den Britischen Inseln wahnsinnig viel Inspiration.“ Steffi: „In den Anfängen musste bei Chris alles weiß sein. Aber dann kam wirklich die Erkenntnis. Ein Uralt-Freund von mir in Irland ist Kunstmaler und hat immer alte Farben vom Müll neu gemischt. Teils in schaurigenTönen – aber die Wirkung an der Wand war gigantisch!“ Und macht ihr euch, wenn ihr unterwegs seid, dann gleich Notizen für Daheim? Chris: „Nein, aber das ist abgespeichert und gärt dann. Das hab ich auch am Anfang meiner beruflichen Karriere gedacht – man sieht was Inspirierendes und muss

36 das gleich imWerk auftauchen lassen. Aber das braucht Zeit. Dennoch ist das, was du siehst und was dich beeindruckt, ein Einfluss. Ich denk’ zum Beispiel an unsere Hochzeitsreise nach Amerika – da haben uns die Shaker Villages, die Communities an der Ostküste, sehr beeindruckt. Fast skandinavisch, aber in dieser Landschaft und dazu eine sehr puristische Lebensform. Das hatte etwas spürbar reduziert Sinnliches, kombiniert mit Farben und reinem Holz ...“ Apropos reduziert. Auch wenn das Aufsaugen von Eindrücken tendenziell gut tut, leben wir ja in Zeiten des permanenten Overloads – gibt es da eine gesunde Strategie? Steffi: „Naja, ich bin schon auf Instagram, aber ich dosiere das. Und ich könnte auch nicht in der Stadt leben. Fahre zwar gerne hin und setze mich ins Café oder Theater und schau’ den Leuten zu – dann ist aber auch wieder gut.“ Chris: „Und wir googeln für die Arbeit zum Beispiel nicht rum, sondern beziehen uns auf unser eigenes Wissen, einfach auf das, was wir selbst erfahren haben. Ich liebe es zum Beispiel nachWamberg zu laufen und das reicht mir. Ich muss auch nicht ständig Fernreisen machen. Es gibt doch den Garmischer Slogan „Entdecke deine wahre Natur“ und auch wenn er auf den ersten Blick fast abgedroschen klingt, ist es das eigentlich: Denn ich bin ja die Natur und wenn ich in der Natur bin, kann ich mich da als Ganzes fühlen. Im Grunde findet das also alles im Kopf statt ...“ Den Gedanken mag ich. Und um imMutmachmodus zu bleiben, möchte ich noch wissen, ob man auch ohne spürbare Begabung kreativ sein kann? Steffi: „Ja, das kann man lernen.“ Chris: „Und man muss es wollen. Will ich mich drauf einlassen? Das ist die Frage. Man muss schon eine Liebe dazu haben, aber Liebe kann sich auch entwickeln.“ Steffi: „Für mich war es auch eine Ausweichmöglichkeit. Ich war nicht erfolgreich in der Schule und dieses Material hat mir Raum gegeben. Keramik, also Ton, gibt Raum und erzieht dich direkt. Da braucht es keine Instanz oder Schule dazwischen – für mich war es deshalb auch therapeutisch genau das Richtige.“ Ein letzter Schluck Tee, das Gesprächsende tut weh. Es bleibt das Gefühl, dass wir genau das brauchen: Blickwinkel austauschen, in andere Köpfe reisen, Erfahrungen aufsaugen. Vielleicht bei einem regelmäßigen Borchardt-Leuner-Tea-Time-Treff? Beide: „Gibt es denn dafür Interessenten?“ Ich denke schon. In guter Gesprächsrunde, farb- und formgetragen … ich wär’ dabei! Steffi: „Dann ist das ein toller Gedanke.“ „WELCHE RAUMSTIMMUNG ÜBER WANDFARBIGKEIT ENTSTEHT WAR EINE ECHTE ERKENNTNI S . “ Chris

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38 STOFF WECHSEL Wir freuen uns über einen neuen exklusiven Grasegger Druck – ein starkes Blumenmuster in einem modischen Farbfluss aus Flieder, Lila und Marine. Ein kleiner „Hummeldruck“ fliegt im spielerischen Kontrast dazu. Farblich komplett abgestimmt und zum Beispiel für die Schürze verwendbar. Und wer diese lieber mit filigranem Kunstwerk statt gebundener Schleife trägt, darf auf unsere wunderschöne Schließen-Auswahl gespannt sein. Auch unsere vielen verschiedenen Borten haben zusammen mit den frischen Neuzugängen eine ziemlich gute Energie. Auf der rechten Seite finden Sie eine kleine Inspiration, die – um es formvollendet zu sagen – individuell rockt. Von klassischem Dirndlrock bis zur festlichen Variante oder sogar mit einem lässigen Wollpullunder kombiniert. Mit großer Vorfreude auf Ihr persönliches Lieblingsstück und herzlichen Grüßen aus unserer Stoffabteilung!

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GROSSES KINO A K T I V A M W A N K

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43 Links: Karokleid mit Smokstickerei Gr.86 bis Gr.152 ab 89,90€ / Baumwollbluse mit Rüschenkragen Gr.86 bis Gr.164 ab 29,90€ Rechts: Cordkleid in dunkelblau Gr.86 bis Gr.176 ab 99€

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45 Cordkleid mit Smokstickerei Gr.74 bis Gr.152 ab 89,90€ / Kapuzenjanker Gr. 92 bis Gr. 164 ab 169€ / Norwegermütze mit 3 Bommeln 54,90€ beides aus reiner Merinowolle gefertigt in Bayern / Pfoad gestreift Gr. 68 bis Gr. 176 ab 34,90€ „Ach, wie schön ist doch die Welt.“ Kleiner Zauber vom großen Heinz Erhardt

46 Reversjoppe Gr. 104 bis Gr. 176 ab 269€ / passende Hose Gr. 86 bis Gr. 176 ab 139€ / Lodenweste Gr. 98 bis Gr. 176 ab 109€ alles aus der Manufaktur Grasegger / Velourshut Gr. 50 bis Gr. 56 199€ Lodenjoppe mit Schattenstreifen Gr. 104 bis Gr. 170 ab 269€ / passende Lodenhose Gr. 110 bis Gr. 170 ab 169€ alles aus der Manufaktur Grasegger / Pfoad Gr. 68 bis Gr. 176 ab 32,90€ /

47 Norwegerpullover in zwei Farben Gr. 92 bis Gr. 164 ab 109€ / Mütze mit drei Bommeln in zwei Farben 54,90€ beides aus reiner Merinowolle gefertigt in Bayern

Blumenkleid aus reiner Biobaumwolle Gr. 86 bis Gr. 176 ab 99€ / Strickjacke mit Rüschen aus reiner Merinowolle gefertigt in Bayern Gr. 92 bis Gr. 164 ab 129€ / Tasche handgestrickt 39,90€ 48

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Kapuzenjanker Gr. 92 bis Gr. 164 ab 169€ / Norwegermütze mir 3 Bommeln 54,90€ beides aus reiner Merinowolle gefertigt in Bayern / Lodenhose aus der Manufaktur Grasegger Gr. 86 bis Gr. 176 ab 89,90€ Kapuzenpullover Gr. 80 bis Gr. 164 ab 109€ / Mütze mit 3 Bommeln 54,90€ beides aus reiner Merinowolle gefertigt in Bayern / Cordkleid in dunkelblau Gr.86 bis Gr.176 ab 99€ 5 1

52 Strickjanker mit Rückenfalte Gr. 80 bis Gr. 152 ab 119€ / Mützen mit 3 Bommeln 54,90€ alles aus reiner Merinowolle gefertigt in Bayern / Rock aus Wolltweed Gr. 86 bis Gr. 176 ab 94,90€ / Kapuzenjanker Gr. 92 bis Gr. 164 ab 169€ / Lodenhose aus der Manufaktur Grasegger Gr. 86 bis Gr. 176 ab 89,90€ / Pullunder Gr. 80 bis Gr. 176 ab 49,90€ / Bluse mit Rüschenkragen Gr. 86 bis Gr. 164 ab 29,90€ / Karorock Gr. 80 bis Gr. 152 ab 54,90€

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55 BAND BREITE Borten sind in dieser Saison wieder ein riesiges Thema. Weil sie Röcken, Jacken, Westen, Blusen und allen anderen individuellen Nähvorhaben das gewisse Etwas verleihen. Gehäuft aufgenäht, fein zum Abschluss oder einfach nur als farbfavorisierte Dekoration werden sie zu bunten Hinguckern und persönlichem Ausdruck. Und auch beim eigentlichen Verzieren darf es aktuell gerne ein bisschen mehr sein. Mehrere Reihen, viel optische Abwechslung, neue Wirkung. So geben sie seidig festlichen Stoffen eine extra Portion Glanz, die wir heuer besonders in trendigem Flieder und zartem Lila lieben. Aber auch zum textilen Evergreen, nämlich natürlichen Materialien und Fasern, lassen sie sich wunderbar kombinieren. Bei uns zu Lodenstoffen in neuen schlichtschönen Farben – von Warmgrau über Salbeigrün bis Walchenseeblau. Eine minimalistische Basis als Hommage an den Wert zeitloser Traditionen.

56 Tipp: Schafwolljanker „Luggi“, Hut von Lempert „Ein Tellerrand ist da, damit man drüber schauen kann.“

„RESILIENZ“ S TÄ N D I G L E S E I C H I N D E R L E T Z T E N Z E I T D I E S E S WO R T. U N T E R R E S I L I E N Z K A N N I C H M I R S C HON G R O B WA S D R U N T E R VO R S T E L L E N – T R OT Z D E M , S I C H E R H E I T S H A L B E R MA L G E GOOG E LT. I N KU R Z F O R M : „ P S Y C H I S C H E W I D E R S T A N D S K R A F T U N D A N P A S S U N G S FÄ H I G K E I T I N S C HW I E R I G E N Z E I T E N “ . C H R I S T I A N K A U E R S E I T 3 3 J A H R E N B E I G R A S E G G E R . S E I T 1 7 J A H R E N Z U S TÄ N D I G F Ü R D A S D E S I G N D E R H E R R E N KO L L E K T I ON . 57 Aha. Aber ok, das passt. Widerstandskraft geht durch den Magen. Ich habe mich problemlos von mir zu einem kühnen Selbstversuch überreden lassen, frei nach dem Dramolett von Thomas Bernhard: „Claus Peymann kauft sich eine Hose und geht mit mir essen.“ Beim Essen geht´s ja gerne auch um das „Hinterher“, um die Freude über das Vollbrachte. Vorher ist auch schön, die Erwartung usw. Aber ein zufriedenes „gut wars“ „schön wars“ und „mach ma wieder“ ist oft mehr Wert wie das Schnapserl danach - ein perfektes Zusammenspiel von Geschmack, Sättigungsgrad und dem passenden Moment. Darum hier fast nur leere Teller. Eine kleine Dokumentation von persönlichem Genuss.

58 KA I S E R S CHMA RRN Kaiserin Sisi kam nicht vorbeigeritten. Nur der gemeine Weps. Im Sturzflug. Ist ihm nicht zu verdenken. Beim Ähndl mit Blick ins Murnauer Moos ist der Kaiserschmarrn eh mehr eine Götterdämmerung. Ziemlich spannend. R EHR AGOUT Viel besungen, gern genommen – ein Herbst ohne geht gar nicht. Man mag es sich ja nicht wirklich gerne vorstellen, die Vorgeschichte, die Schießerei und das Ganze. Aber allein schon die Gerüche nach Wacholder, Nelke und Sternanis trösten die Seele über die Tradition der Bruchzeichen hinweg. „ E I N “ GL A S I M CUAT RO HOMB R E S Speziell sortierte Weinhandlungen haben etwas von schönen Bibliotheken. Dort hinter Buchdeckeln, hier hinter oft kunstvoll gestalteten Etiketten verbergen sich Schätze menschlicher Schaffenskraft. Die wollen natürlich erkundet werden. Moric: Blaufränkisch Reserve 2019: „Druckvolle rote Beeren in der Nase, darunter feine Kirsche und auch ein wenig Süße von Himbeere mogelt sich durch. Dazu feuchter Waldboden, moosig, Zimt und Nelke, ein Hauch grüner Pfeffer. Seidig floral auf der Zunge, Veilchen.“ Steht hinten links im Regal – Probieren. L E B E RWUR S T B ROT Herrlich. Ein verregnetes Wochenende mit „The Big Bang Theory“ im Streaming und dazu krosses Sauerteigbrot mit Leberwurst und Gürkchen. Nach zwei Staffeln hab ich mir ein Flash Gordon TShirt bestellt. Es ging nicht anders. „Penny! Penny! Penny!“ (Was für Insider) F RÜHS TÜCK M I T DE R J ÜNG S T EN Eigentlich ist es jeden Morgen dasselbe. Aufstehen. Morgentoilette. Gwand auswählen und herstellen der täglichen Illusion. Aber am Wochenende darf der Ablauf gerne ein anderer sein. Ein Frühstück mit Vielfalt und Ruhe. Mal hiervon ein bisserl probiert, mal davon. So kann der Tag beginnen. Manko: Ei auf der neuen Hose – der von oben – Sie wissen.

59 GR AT I N I E RT E S TA BMU S CHE LN Wenn du keine Zeit für einen Kurzurlaub hast und dir auch noch einen Flug sparen willst, geh ins Poseidon am Münchner Viktualienmarkt. Eigentlich eine Austern Oase. Heute Muscheln mit Muscadet. Da geht es laut her. Teller klappern. Bedienungen und Köche sind nicht zu überhören. Ein temperamentvoller südländischer Traum mitten in München. Kleine Karte, aber alles frisch und perfekt vor deinen Augen zubereitet. KA L B S B R I E S - M I L ZWUR S T Abgebräunt, serviert mit Bratensoß und Kartoffel-Gurkensalat. Beim Donisl am Marienplatz. Alles bestens so weit. Nur der R2D2 große Bedienungsroboter macht mich nachdenklich. Saust hier durch die Gänge, beladen mit gefüllten Bier-Gläsern. Eine Art Running Sushi auf Bayerisch. Ein Bedienungsroboter! I M WI RT SHAU S A Gulasch und a Seidl Bier Des is a Lebenselexier bei mir Des taugt ma und wia I steh so wahnsinnig auf des Dass i mas oft in Kreislauf press Jawohl Wolfgang Ambros, Lyriker (1975) B E L L E VUE DE MONACO Eine Art Flüchtlingeskooperative im Gärtnerplatz Viertel. Hier arbeiten unterschiedlichste Nationalitäten zusammen. Von Äthiopien bis Afghanistan. Im Service und in der Küche. Du zahlst was du kannst oder willst. Minimum 9,-€ und Maximum 16,- €. Hatte vegetarisches Allerlei mit besonderen Geschmäckern. Großartig. Und ein „Tegernseer Hell“. TAGGI ASCA OL I VEN AUS L IGURI EN (Markt) In selbstgetöpfertem (Mama) auf #-Tischtuch mit leichtem Polyesterdurchschuss (Loriot). Dazu Muskateller von Heidi. Der feine Snack für zwischendurch.

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