Grasegger Magazin - Fahrtwind

4 6 | 4 7 „Die Unterschiede bei der Federkielstickerei sind gar nicht so regional, jedenfalls nicht direkt. Eher so, dass jeder a andere Hand hat und es deshalb anders wird. Federkielsticken ist etwas sehr persönliches, individuelles.“ Schritt, nämlich alles mit weißer Tusche nach- zuziehen, ist eher etwas für Menschen mit langem Geduldsfaden. Wenn das Stück soweit vorbereitet ist, folgt ein Dreiklang aus Stuhl (dort wird es eingespannt), Werkzeug (mit der „Ahle“ sticht bzw. schneidet der Sticker die Löcher ins Leder) und Garn. Letzteres besteht aus gespaltenen Kielen des männlichen Pfaus und fühlt sich ganz besonders an. „Dazu muas ma sogn, dass die Vögel ihre Federn freiwillig abwerfen, oamoi pro Jahr zur Balz“ , bemerkt Markus und es bleibt offen, wie viel Testosteron wohl in jedem der weißen Bündel steckt. Dann kann es losgehen. Zum Beispiel im doppelten Schrägstrich, immer der Linie entlang. Jeder Arbeitsschritt erfordert Genauigkeit und Konzentration und „schnell amoi gibts ned“ , da sind sich beide einig. Überhaupt scheint ein gewisser Ruhepuls mit am Tisch zu sitzen. Da schenke ich Alex Wasser ein und was soll ich sagen – es schießt über den Rand und weit darüber hinaus. Eignung zur Federkielstickerei? Offensichtlich optimierbar … Wir kommen zum ur- sprünglichsten Produkt der Federkielstickerei, dem breiten Trachten- gurt für Männer, auch Fatschen oder Ranzen genannt. „In den Gürteln wohnt die Tradition und jede Region hat einen ganz eigenen, was die Form angeht“ , sagt Alex. „Meran war zum Beispiel schon immer sehr wohl- habend und für Bauern war das ein Prestige- produkt.“ In dem mitgebrachten Exemplar von Markus „stecken über 300 Stunden Arbeit und es ist sogar von Hand zusammengenäht.“ Ein Erb- stück, das Namen, Familienwappen und Natur- motive durch viele Generationen trägt. Un- günstig nur, wenn man figürlich vom Vorgänger abweicht oder? Ein verständiges Grinsen. „Unser Gurt ist da ein wenig flexibler und kann von der Größe her angepasst werden“ so Markus. Alex findet, dass sich die Tracht in Bayern grundsätz- lich mehr dem Alltag öffnet als in Südtirol. „Bei uns ist die Tracht sehr klar geregelt und das Tragen auf bestimmte Tage beschränkt bzw. überwiegend in Musikkapellen und Vereinen üblich. Bei euch ist das unkomplizierter, hab ich das Gefühl.“ Das überrascht mich. Zumal zwischen seinen Produkten eine außergewöhnlich rote Damen- geldbörse ins Auge fällt … „Umso reicher ein Bauer war, umso aufwendiger bestickt war sein Gürtel.“

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