Grasegger Magazin - ZEIT LOS

5 4 | 5 5 An einem Felsen kommen wir alle zusammen und das, was die drei Frauen verbindet, auf den Tisch bzw. das Deckchen – denn Marianne zieht ein Erbstück mit gestickten Initialen aus ihrem Rucksack und breitet die Verbindung buchstäblich vor uns aus. „Wir alle schätzen Dinge, die einenWert haben, die man bewusst besitzt und die einen lange begleiten“ , sagt sie. Auf Bekleidung bezogen heißt das, sich in Produktion und Verkauf jenseits von „heute hipp und morgen on sale“ zu bewegen und Mode dadurch zu verlangsamen. Und diese Entschleunigung durch das Produkt weiterzugeben. „Denn der Kunde hat das gute Ge- fühl, ein wertiges Produkt zu haben, das eben keinem Halbjahreszyklus unterliegt. Mir selbst ist das auch wichtig. Ich trage meine Sachen gerne über eine lange Zeit, auch wenn ich dafür schon mal im Geschäft gerügt werde, weil Kunden dadurch nach etwas fragen, das es gar nicht mehr gibt. Dann sagen wir ehrlich – das ist jetzt drei Jahre alt... ein Riesen- schritt in einer Branche, die eigentlich überhaupt nicht entschleunigt ist.“ „Auch, weil du nicht das Geld hast, dir davon fünf Teile zu kaufen“, findet Caroline. Da nimmt man sich Zeit, genau hinzuschauen und in Ruhe zu entscheiden, was wirklich zu einem passt. Und genau das „ist die Entschleunigung, die in der Mode guttut und wichtig ist“ , sagt sie. Genauso wichtig ist ihr als Produzentin, ihre Kollektion in Bayern nähen zu lassen und auf sinnlose Überproduktionen, wie sonst in der Textilbranche oft üblich, zu verzichten. „Mich entspannt es auch, wenn ich im Schrank eine gewisse Sicherheit hab“ , sagt Marianne daraufhin. „Das Gefühl, dass da das Passende hängt, für bestimmte Gelegenheiten, aber auch mit nur einem Teil wieder ganz neu kombinierbar... für mich ganz ganz wichtig.“ Ja, denke ich. Hier liegt der halterlose Strumpf begraben – im stimmigen Kleiderschrank- Ensemble, das sich gezielt auffrischen lässt. Und ich beschließe leise, ein erneutes Treffen mit der Meise*. Sepps energisches „los die Damen!“ unterbricht unser Innehalten und setzt die Schweißpro- duktion wieder in Gang (ob sich gerade ein neues „Zopf und Falte“-Modell zusammen- fügt?) Ich gehe ein Stück mit Caroline und frage sie, ob ihre Röcke auch in Bewegung entstehen. „Nein, eher abends im Bett“ sagt sie, dort dürfen alle Eindrücke des Tages durch ihren Kopf ziehen. Der spezielle, weit schwin- gende Schnitt ist dabei die Konstante, bis zu fünf verschiedene Stoffe und Muster die krea- tive Spielwiese der Rockmacherin. Das Ent- werfen fällt der ehemaligen Maskenbildnerin leicht und sie hat eher das Luxusproblem, dass sie sich zu viel vorstellen kann. Der Rest ist nordisch unaufgeregt (sie kommt ur- sprünglich aus Hamburg) und bodenständig bayerisch (sie lebt mit ihrer Familie schon lange am Ammersee): „Ich hab, glaube ich, das große Glück, dass dieser Rock und dieser Schnitt unglaublich vielen Frauen und Figuren steht“ sagt sie... Pures „Glück gehabt“ also? Da schaltet sich Birgit ins Gespräch. Sie hätte das auch einmal gesagt, dieses „ich habe mit den Pullis einfach Glück gehabt.“ Da hat ihr Gegenüber insofern widersprochen, als dass Glück zwar dazu gehöre, ja – „aber es gehe auch darum, den Moment zu erkennen und aus dem Glück, das einem widerfährt, dann was zu machen. Und da kommt die Arbeit ins Spiel.“ Mögliche Erkenntnis: Manchmal ist es nicht Glück gehabt, sondern Glück gemacht. AUF DEM WEG I N DER RUNDE *Meise heißt eigentlich Sabine und ist Modeberaterin beim Grasegger. Sie flatterte mir eines Tages vor die Füße und nahm mich unter ihre Fittiche. GOTTSEIDANK.

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