Das Grasegger Magazin - No.8

1 2 Darum habe ich bei Hugo Boss angefangen und dort die digitale Schnitterstellung gelernt. Die ist ganz an- ders als mit Papier! Weil man am Bildschirm nur eine flache Fläche hat. Das Digitale ist sinnvoll, weil es schneller geht und genauer ist. Aber bestimmte Sachen, wie Puffärmel oder Faltenlegung, muss man manuell an der Büste drapieren, auf Papier abnehmen und dann digitalisieren. Da braucht es nach wie vor handwerk- liches Können. Und dazu auch ein Wissen über Näh- und Verarbeitungstechnik, um anschließend den rich- tigen Schnitt dafür zu machen. Was umfasst dein Bereich hier noch? Meine Hauptarbeit besteht eigentlich darin, die Teile fürs Puzzle zu erstellen. Also aus der Designidee ein nähbares Modell zu machen. Inklusive aller auch nicht sichtbaren Parts wie verstärkende Einlagen und Innenfutter. Dazu stimme ich mich eng mit dem Designteam ab. Manchmal schauen wir zum Beispiel bei gemusterten Schnittteilen, ob wir noch Nähte reduzieren können. Denn Nähte bringen bei Mus- tern zusätzlich Unruhe rein. Worauf muss man achten, wenn man verschiedene Stoffe kombiniert? Jeder Stoff, der im Schnitt geplant ist, wird ein- gehend betrachtet. Welche Eigenschaften hat er, schrumpft er stärker als andere – das testen wir an der Fixierpresse oder beim Dämpfen mit dem Bügel- eisen. Daraus ergeben sich gewisse Werte, zum Bei- spiel wie er sich verkleinert – dann vergrößern wir die Schnittteile entsprechend. Sodass die Jacke hier trotz unterschiedlicher Stoffqualitäten von der Pass- form her gleich rauskommt. Und musst du dir auch mal ganz neue Schnittteile überlegen? Ja, das kommt gerade in den hauseigenen Damen- und Herren-Kollektionen oft vor – für Herbst/Win- ter 2022 ist unser Portfolio an Neuentwicklungen groß. Wir arbeiten zum Beispiel aktuell an einem Stiftrock, einer Jacke mit Puffärmel, einer wattierten Outdoorjacke und Weste sowie einem legeren Hosenmodell. Man baut zwar auf Bestehendes auf, erstellt das meiste aber tatsächlich neu. Da ist die An- probe des ersten Prototypen besonders spannend, erst an der Büste, dann am Model. Wer ist beim Grasegger Passformmodel? Das machen Kolleginnen und Kollegen, die ins Größenraster passen. Fürs erste Prototypen-Teil probieren wir Größe 36 bei den Damen und 50 bei den Herren. Uns ist wichtig, es nicht nur an einer Figur anzuschauen, sondern immer an mehreren. Dann sieht man zum Beispiel, ob der Rock auch bei verschiedenen Körpergrößen seinen Job macht. Zusätzlich haben wir einige wirklich sehr gute Schneiderbüsten, die dem Körper sehr nahekommen und im Vergleich zu den menschlichen Models immer ihr Gewicht halten. Haben sich Passformen denn mit der Zeit verändert? Bei den Damen kann man sagen, dass die Maße weiter geworden sind. Vor allem haben sie im Vergleich zu früher viel weniger Taille. Lange galt diese 90-60-90- Orientierung, das ist heute durch sogenannte Reihen- messungen verschiedener Institute widerlegt. Und gibt es eine regionaltypische Passform? Also was wir haben, weil wir auch viele Vereine aus- statten, ist ein Bedarf an Bauchgrößen – die sind hier bei den Herren viel im Einsatz. Wir können mit un- serem Schnittsystem gewisse Individualisierungen machen, also die einzelne Joppe in verschiedenen Längen und Weiten anpassen. Und da ist die Ände- rung „halber starker Bauch“ ein Thema. Find’ ich super! Und wie schaltest du nach der Arbeit ab? Wenn ich hier rauskomme, ist der Ruhepool eigent- lich der Weg nach Hause. Eine halbe Stunde im Auto, nur gute Musik und ich. Beim Heimkommen ist bei uns dann normalerweise Stallzeit, dann treiben wir unsere Kühe rein. Die Landwirtschaft macht eigentlich mein Mann und ich bin die Assistentin. Und das ist in der Tat auch etwas, was einen zur Ruhe bringt. Immer die gleichen Abläufe, bis jede von unseren 30 Milchkühen durch den Melkvorgang ist, da kann man die Gedanken nebenbei entspannt fließen lassen. // „Schnitt! Jetzt wird dann die Kuh verkauft …“

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