Das Grasegger Magazin 30 Jahre Jubiläum

Arbeiten Sie zunächst mit Bildern im Kopf, nachdem Sie die Räum- lichkeiten oder Pläne sehen, oder greifen Sie gleich zu Papier und Stift oder gar dem Computer? Es dauert lange, bis ich etwas zu Papier bringe und es dauert noch länger, bis es in den Computer wandert. Es tauchen tatsächlich Bilder in mir auf, wie in einem Film mit bunten Bildern, der vor meinem inneren Auge durchläuft. Das passiert bei mir sehr schnell. Das merkt mein Gegenüber auch sofort. Ich war einmal auf Kundenbesuch, wir tauschten uns aus und er bemerkte: „Ich sehe schon, bei Ihnen passiert schon was im Kopf. Sie sehen doch schon was?!“ . Er hat das einfach an meinem Blick gemerkt. Und diese Bilder im Kopf, diesen Film ver- gesse ich nie und nimmer. Das ist wie ein Reiz und plötzlich ist er da. Der brennt sich ein und ich kann diesen Film immer wieder ablaufen lassen, vielleicht hier und da etwas verändern und dann zu Papier bzw. zu Computer bringen. Ich bastele aber auch sehr gerne Modelle. Ein kleines vereinfachtes eatermodell, das ich immer wieder nach meinen Wünschen verän- dern kann, hilft mir dabei, mit ganz normalen Stecknadeln Objekte so anzuordnen, wie ich es möchte. Ob horizontal, ob vertikal, links, rechts, farblich verändert, einfügen, entnehmen usw. Einfach auch verschiedene Varianten präsentieren. Und Sie werden lachen, der Kunde möchte das eigentlich immer behalten. „Nein das gebe ich nicht mehr her, das bleibt jetzt hier, das ist so schön“ . Auch Herr Grasegger bekam von mir ein Modell präsentiert, das er bestimmt irgendwo hier versteckt hält. Man kann mit einem Modell relativ einfach ganz gut Proportionen überprüfen und dem Kunden auch Möglichkeiten eröffnen, Ideen ge- meinsam auszuarbeiten. Ich mache das sehr gerne. Das sind aber reine Arbeitsmodelle, keine Ausstellungsmodelle. Sie dienen einfach sehr gut für den Transport von Ideen. Die Familie Grasegger lebt die Unternehmenskultur „Tradition und Gegenwart“. Wie war denn Ihre Herangehensweise für die Verbindung von Tradition und Gegenwart? Es handelt sich um einen Teil eines Entwicklungsprozesses, wie man zu einem Konzept kommt. Klar war natürlich, dass das der Unternehmensslogan ist. Tradition und Gegenwart, das war mir bewusst und wurde natürlich auch eingehend diskutiert. Ich bin dann nach einem Gespräch aufgestanden und habe für mich be- schlossen, dass ein weiterer Punkt hinzu kommt, nämlich die Zu- kunft! Die Tradition, das sind die Wurzeln. Es ist für meine Arbeit ganz wichtig, wo kommt ein Unternehmen her, was hat es für eine Geschichte? Die Geschichte hier von der Familie Grasegger kenne ich eben, über die Mutter von Thomas Grasegger. Bevor ich irgendwas zu Papier bringe, Bilder entstehen oder ich mich an den Computer setze, erarbeite ich mir ein Konzept anhand fünf magischer Elemente. Das Erste ist das Unternehmen. Dieses hat in der Regel immer eine Geschichte, hat Wurzeln und Tradition. Das gilt es zunächst an die Oberfläche zu bringen. Manchmal schlummert das nämlich irgendwo. Als nächstes kommt das Pro- dukt. In diesem Fall ist es die Trachtenmode, die ja auch modern sein kann. Wobei die Moderne hier schön eingegrenzt ist, weil es teilweise auch in die modern-sportive Trachtenmode geht. Modern und trotzdem „trachtlerisch“ . Es kann sogar bis zur Eleganz gehen. Ich kann beispielsweise aus einem Seidendirndl ein Abendkleid zau- bern. Das ist das Spannende an dieser ganzen Geschichte. Der dritte Punkt ist der Endkunde. Für welchen Endkunden wird das eigentlich alles gemacht. Es wird ja nicht für das Unternehmen ge- macht. Sondern für den Endkunden. Das faszinierende hier bei Gras- egger ist, wir haben die Frau und den Mann als Endkunden. Zum einen die feminine Komponente im Erdgeschoss und die maskuline Komponente im ersten Stock. Zudem haben wir eine großartige Ver- bindungstreppe zwischen diesen beiden Abteilungen gebaut. Spezifizieren Sie in diesem Fall die eventuellen Wünsche der Kun- den? Haben Sie vonseiten der Familie Grasegger eine Charakteri- sierung ihrer Kunden erhalten? Ein Modehaus hat in der Regel einen bereits bestehenden Kunden- stamm. Natürlich fragt sich der Unternehmer: „Wo wollen wir hin, welche Neukunden wollen wir für uns gewinnen?“ . Hier in Garmisch- Partenkirchen möchte man selbstverständlich auch den Touristen als Kunden gewinnen. Früher hat man sehr streng nach Altersgruppen eingeteilt, das macht man heute ja nicht mehr. Man fasst heute eher in soziologische Gruppen zusammen. Und wenn man dann doch von Zielgruppen sprechen möchte, unterscheiden wir lediglich männlich und weiblich. Deshalb haben wir das Obergeschoss mit der Herren- mode eher mit einer strengeren, klar strukturierten Aussage gestaltet. Auch haben wir andere Lichtdesigns ausgearbeitet. Das Mobiliar und die Anordnung der Kleidung in der Herrenabteilung wird eine eher strengere, klare, zielgerichtete Aussage bereithalten. Im Erdgeschoss werden wir für die Damenmode eine eher verspielte, weichere Kom- ponente bieten. Als vierten Punkt bezeichne ich den Ort. In diesem Fall geht es um Regionalität, Tradition und Brauchtum. Wir sind hier schließlich nicht in München am Marienplatz oder in der Maximilianstraße. Zum Standort gehört natürlich auch die Nachbarschaft. Hat diese vergleichbare Produkte, was passiert vis a vis, wenn ich in die nächste Seitenstraße gehe usw. Das ergründe ich alles zu Anfang. Die fünfte Komponente ist letztendlich die Unternehmensvision. Wo möchten wir hin. Welche Kunden schenken uns bereits Aufmerksam- keit, wessen Aufmerksamkeit wollen wir noch hinzugewinnen. Die Firma Grasegger hat mich bereits seit 1991 zu sämtlichen Umbau- planungen herangezogen. Somit habe ich Schritt für Schritt seitdem den Werdegang dieses Modehauses hautnah mitbekommen, was für mich auch sehr interessant war und ist. Was mich deshalb natürlich sehr freut ist, dass man mir gesagt hat, dass die Ergebnisse, die hier mit meiner – oder unserer gemeinsamen Arbeit – erreicht wurden, auch sehr langlebig sind. Auf keinen Fall schnelllebig. Man spürt beim ersten Betreten eines Modehauses auch, ob langhaltig oder für auf die Schnelle gebaut und gestaltet wurde. Man möchte sich auch als Kunde auf etwas verlassen können, das wirkt beruhigend und ist gut fürs Gemüt. Es fasziniert mich, in dieser schnelllebigen Zeit etwas langlebiges, mit Substanz behaftetes, zu schaffen und zu kreieren. Ein Schlusswort von Ihnen, Frau Dobiasch? Es ist einfach schön zu sehen, dass hier mit gemeinsamem Herzblut zusammen mit der Familie Grasegger und all den mitarbeitenden ein- heimischen Generationsbetrieben Schritt für Schritt die Verwirkli- chung meiner Ideen in die produktive und konstruktive Tat umgesetzt werden. Ich weiß die Arbeit der hier mitwirkenden Handwerker sehr zu schätzen. Mir macht die Arbeit unheimlichen Spaß und erinnert mich auch stark an das eater. Man ist für eine Weile eine große Fa- milie und teilt Freud und Leid miteinander und wenn alles vollbracht ist – die Spielzeit sozusagen zu Ende ist – gehen alle wieder ihrer eige- nenWege. Was aber bleibt, ist das gemeinsame Werk, das man erschuf. Text: Karin Manner

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