Grasegger Magazin - ZEIT LOS

4 | 5 Ich kam relativ entspannt aus den Sommerferien. Aber dann. Eine anstehende Hochzeit in der Familie, zwei runde Geburtstage – und der Weihnachtstrubel streckte irgendwie auch schon die Fühler aus. Erste gedankliche Vorboten des „was schenke ich“ und „was ziehe ich an“ schraubten meinen Puls in die Höhe, noch während ich den Sand aus den Strandhandtüchern klopfte. Da erfuhr ich das ema des diesjährigen Grasegger Magazins: Entschleunigung. Aha. Das erste, was sich bei mir beschleunigte, war eine latente Verzweiflung. Denn wenn andere bei der Yoga-Tiefenentspannung in ein seliges Schnarchen fallen, explodiert bei mir der Kopf. Der Bewegungsimpuls übernimmt die dunkle Seite der Macht und macht ein entspanntes Fallenlassen unmöglich. Kann so jemand in dieses ema eintauchen? Das definitiv eines ist und uns privat sowie beruflich regelmäßig be- gegnet – doch eher als eine Art sehnsuchtsvolles Rufen, auf das zumin- dest ich noch keine Antwort gefunden habe. Aber das Magazin wäre nicht das Magazin, wenn es nicht an genau dieser Oberfläche kratzen würde. Und das tat es. Wie immer von tollen Menschen ausgehend, die ich während dieser Zeit kennenlernen durfte und die verschiedenste Gefühle und Überlegungen ins Rollen brachten. Den Anfang machte eine Begegnung bei der hausinternen Grasegger Modeinfo – einer abendlichen Teamschulung, an der ich heuer das erste Mal teilnehmen durfte. Und während ich zwischen zurückge- nommenen Farben und Christian Kauers Aussage „die Hose ist so be- quem, mit der gehe ich sogar schlafen“ , erstmals eigene „Slow-Fashion“- Gedanken hegte, griff mich die „Meise“ auf. Sabine Meisen, Mode- beraterin im Hause Grasegger, die mich mit einem Oberteil in der Hand erwischte, das mir eigentlich ganz gut gefiel. „Das bist du ja gar nicht“ , sagte sie. „Du kennst mich doch gar nicht“ , dachte ich. Doch dann kam sie mit einer Blusen-Rock-Auswahl wieder und ich überlegte „...vielleicht doch“ . Und wurde in das entspannteste Einkaufserlebnis katapultiert, das ich je erlebt habe. Ein leeres Mode- und Trachten- haus, die Meise – und ich. Einkaufen ohne Druck und – mit einem einfühlsamen Menschen, der mich beriet. Dass diese Situation rein faktisch gesehen kein Standard war, ist klar. Aber die menschliche Nähe, die sich aufbaute (und mich entspannte), war unabhängig davon. Denn Meise war nicht nur bei meinem Geschmack auf Zack und holte mich persönlich ab, sondern gab mir für oben genannte Feier- lichkeiten alles mit auf denWeg, um diesen nun vollkommen stressfrei entgegenzublicken. Unter anderem auch ein beruhigendes „das war jetzt gut“ -Gefühl, das in meinem Bauch weiterwohnte. Genauso menschlich erkenntnisreich ging es weiter. Michl Leismüller ließ mich ein paar Tage später zwischen die Zeilen seiner Buchhandlung blicken und erkennen, dass ich doch sitzend entspannen kann – beim Lesen. Und mehr noch. Mir wurde bewusst, was ich an Büchern ganz besonders schätze, nämlich dass sie die Fantasie aus der Reserve locken und damit das Unperfekte einziehen kann. Wie zum Beispiel die Vor- stellung, dass die Protagonistin mit fettigen Haaren aus dem Haus rauscht und ein Spinatrest zwischen ihren Zähnen hängt. Hat für mich etwas sehr Tröstliches – und Entschleunigendes. Als nächstes war ich mit „der Damenrunde“ in den Bergen unterwegs und wurde daran erinnert, wie gut man in Bewegung zur Ruhe und zumWesentlichen kommt. Was mich dazu anstieß, trotz Alltagswahn wieder öfter laufen zu gehen. Ich rannte und meine latente Verzweiflung wich einer wachsenden, persönlichen Erkenntnis. Sind Sie schon mal mit klas- sischer Musik in den Ohren an einer Schafherde vorbeigelaufen, die scheinbar im Takt ihre Köpfe schwenkt? Ich musste stehenbleiben. Und ganz bewusst innehalten. Dann kam Nomi. Was soll ich sagen – lesen Sie selbst. Vorweg sei vielleicht noch erwähnt, dass in dieser Zeit natürlich noch mehr passierte und sich viele weitere Gedanken ihren Weg bahnten. Am Ende stand dann aber doch ein entschleunigtes Gefühl – ausgelöst durchMenschen und eine emotionale Nähe, in die man sich auch später noch fallenlassen kann. Ich hab jetzt ne Meise – und sehe entspannt dem Weihnachtstrubel entgegen. „Je schneller unsere Zeit wird, desto mehr suchen wir die emotionale Nähe und vielleicht auch echte Gefühle wieder.“ DJ Bobo bei Ringlstetter, Bayerischer Rundfunk 2018 Text Lisa Rühl / GE F UNDEN

RkJQdWJsaXNoZXIy Mzk0ODY=