Das Grasegger Magazin - No.8

55 Und lässt du in deine Hüttenküche ein paar argentinische Gewürze einfließen? Ach, nee … eher nicht. Wenn, dann muss ich das langsam und als zusätzliche Speisen einführen. Ich habe zum Beispiel mal argen- tinische Doppelkekse mit Schokolade geba- cken, die gingen dann auch gut weg. Ich möchte aber grundsätzlich die Tradition der Hüttenspeisen aufrecht erhalten. Denn wer hier Urlaub macht, der möchte auch die tra- ditionelle Alpen-Küche genießen. Das ist wichtig und muss so bleiben. Während ich es ziemlich entzückend finde, dass Vesna die bayerischen Schmankerl hütet, frage ich mich auch, was ihre Familie in Argentinien zu dem Ganzen sagt? Die freuen sich über das, was ich mache und dass ich so zufrieden bin. Und sie wissen, dass sie im Sommer eher wenig hören und imWinter mehr. Leider waren sie noch nicht hier, denn der Flug ist aus argentinischer Sicht wie gesagt sehr teuer. Und wie lebt ihr Familie, wenn ihr abends für euch seid? Nach dem Kasse machen und putzen sitzen wir zusammen beim Abendessen an einem Tisch. Auch mit unseren Aushilfen, die wechselnd da sind und mit übernachten. Das ist schön, so sind wir nicht nur alleine. Und dass wir keine Übernachtungsgäste haben, ist ein Vorteil dieser Hütte, weil die Abende für uns bleiben. Trotzdem gehen wir meistens gleich ins Bett, denn die Tage sind echt lang. Wir haben täglich von 6 bis 20 Uhr geöffnet, manchmal kommen 1000 Leute pro Tag. Und was von eurem Leben hier überrascht die Gäste am meisten? Zum Beispiel, dass wir die Höllentalklamm mitbetreuen. Flo geht jeden Tag vor der Öff- nung einmal durch, erledigt kleine Reparatu- ren und schaut, ob die Lichter funktionieren und kein Müll rumliegt. Was unsere Gäste noch fasziniert ist die Lieferung mit der Materialseilbahn oder unsere ausgebauten Felsenhöhlen neben der Hütte, wo Kühl- schränke, Vorräte, die Seilbahnbergstation und die Toiletten drin sind. Und dann noch die Hütte selbst. Sie ist mehr als 100 Jahre alt, das spürt man einfach. Dadurch mussten wir anfangs aber auch viel lernen. Wie das Heizen mit Holz – nur in der Küche habe ich noch ein bisschen Gas dazu. Für das, was der Dampfgarer einer Großküche in einer Stunde schafft, brauche ich hier drei Stunden. Kleine Hütte, aber viel Liebe, sage ich immer. Was überrascht dich im Alltag noch? Manchmal noch der Dialekt. Ich lerne immer noch die Sprache besser kennen und bin viel in Kontakt mit Einheimischen, das hilft. Trotzdem war es für mich anfangs schwer ein- zuordnen, ob die Leute gerade böse sind oder ich was falsch gemacht habe. In Argentinien wird viel mit Händen und der Mimik gespro- chen, wir reden einfach sehr körperlich. Das machen die Werdenfelser eher nicht (lacht). Diese kulturellen Unterschiede sind oft auch lustig. Zum Beispiel habe ich in der Anfangs- zeit meine argentinischen Freunde immer umarmt und geküsst, das ist bei uns ganz normal. Da dachten manche deutschen Kol- legen, dass ich mit mehreren Personen gleich- zeitig zusammen bin ... Du sitzt hier im Schafwolljanker, gibt’s ein ähnliches argentinisches Kleidungsstück? In Patagonien wird die Wolle von Guanakos (dem Lama ähnliches Tier der Anden) und Schafen verarbeitet. Aber eher zu Wolljacken und Socken, die dann die Leute auf dem Land zum Arbeiten tragen. Nicht so traditi- onsverbunden wie hier. Ich liebe meinen Janker, weil er super warm und bequem ist. Und in der Morgenkälte einfach perfekt. Also passt viel argentinisches und werden- felserisches zusammen ... Ja, auch von den Leuten her. In unserem Freundeskreis war das immer eine super coole Mischung finde ich! Man lernt viel von der anderen Kultur und jede hat etwas Tolles. Zum Beispiel mag ich an der bayeri- schen diese ganze Tradition vom Essen, Zu- sammensitzen, ins Bierzelt gehen. Das ist sehr schön. Und was für jemanden aus Bay- ern das Bier, ist für uns der Mate Tee. Wir trinken ihn den ganzen Tag und teilen immer den Becher mit anderen - Mate ist nichts, was du alleine trinkst. Diese Kultur ist in Argentinien ganz ganz wichtig und ich habe sie auch mit hierher in die Hütte ge- bracht. Und was können die Werdenfelser noch von den Argentiniern lernen, dass man sich einfach mal küssen darf? Haha. Naja, hier ist immer erst mal Arbeit, dann Spaß. Wir machen beides zusammen. Flo betritt schnipsend wippend die Szene. Kein Tango, aber schon ziemlich ge- schmeidig um die Hüften ... und ich habe trotz der augenscheinlich stimmigen Bier- Mate-Symbiose noch eine letzte Frage an Vesna: Was hat dich wirklich hier ankom- men lassen? Mei, ich hatte das Gefühl vom ersten Tag. Bin die Autobahn von München in Rich- tung Garmisch gefahren und habe dann in einem Moment die ganzen Berge gesehen. Und seit diesem Moment habe ich ein gutes Gefühl. Ich blieb’ damals zwei Monate, dann war ich nochmal unterwegs. Und hab’ da ge- spürt – nein, ich muss zurück! Denn es ist egal, wo ich in ganz Europa war – der einzige Platz, wo ich dieses Gefühl hatte, war hier. Und das bedeutet was, glaube ich. Stille. Dann sagt sie weiter, in meine Gänse- haut hinein: Wegen dem Ort bin ich hier. Und wegen der Leute, die ich kennengelernt habe. Es gibt drei, vier einheimische Familien, die mir seit dem ersten Tag geholfen haben. Ohne mich zu kennen. Das macht nicht jeder. Und sie sind bis heute immer dabei. Das war auch mein Glück, das ist meine deutsche Familie. Das habe ich hier gefunden und deswegen bleibe ich hier. // Text: Lisa Rühl

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