Das Grasegger Magazin - No.8

52 Vesna, wie landet eine sonnengeküsste Südamerikanerin in der Werdenfelser Klamm? Ich komme aus den Bergen Patagoniens, da gibt’s kein warmes Wetter und keinen Tango. Das ist nur für die Hauptstadt. Meine Hei- matstadt heißt Bariloche, die ist sehr be- kannt, da sind viele Berge, viele Seen. Also gar nicht viel anders als hier. In Argentinien habe ich viele Jahre als Sekretärin, Englisch- lehrerin und Krankenpflegerin gearbeitet – und war dabei immer unglücklich! Irgend- wann habe ich gewusst, dass ich gehen muss. Was im ersten Moment aber gar nicht ein- fach war. Denn in meiner Heimat ist es ganz anders als hier, besonders die Einkommens- verhältnisse. Für meinen Flug nach Europa musste ich trotz fester Arbeitsstelle fünf Jahre lang sparen. Als ich das Geld dann zusam- menhatte, habe ich meine Bekannten in Eu- ropa gefragt, ob jemand etwas zum Arbeiten weiß. Und dann über meinen Freund Matti erfahren, dass man für Schlafen und Essen in der Spülküche der Reintalangerhütte ar- beiten kann. So hat es 2017 angefangen. Krasser Weg, denke ich und schaue Vesna an. Die mir am Eingang der Hölle gegen- übersitzt und eine warme, positive Ruhe ausstrahlt. Von verrückter Aussteiger- Attitude keine Spur. Im Gegenteil: Job be- kommen, Deutsch gelernt, Mann gefunden. Denn der Werdenfelser Flo bewirtschaftet die Hütte mit ihr gemeinsam.Wann kam er ins Spiel? Das war erst später. Ich kannte ihn von der Reintalangerhütte, bin dann aber ins Kreuz- eckhaus gewechselt. Und trotzdem jedes Wochenende wegen der ganzen Freunde wieder ins Reintal gegangen. So ging das mit Flo und mir los. Dann haben wir imWinter erfahren, dass die Höllentaleingangshütte frei wird, ein bisschen überlegt und uns be- worben. Und Gott sei Dank sind wir da! Ich glaube, das hier hat auf mich gewartet. In demMoment wandelt sich draußen das Wetter von Sonnenschein zu Nebelsuppe, nebenan donnert die Klamm. Spürbare Naturgewalt ... wie bewahrt man da die Ruhe? Das ist nicht so einfach, jeden Tag ruhig zu bleiben. Aber wir beide haben schon viel in den Bergen gearbeitet und die Erfahrung bringt schon eine gewisse Ruhe. Was auch im Kontakt mit Gästen hilft, die sich nicht gut auskennen. Die warnen wir dann, zum Bei- AM EINGANG ZUR HÖLLE R U H E P U L S Ende September, erster Ausflug fürs Grasegger Magazin. „Zum Vogelhaus am Fels“, sagt Fotograf Sepp, der mich begleitet. Und meint damit unser Ziel, die Höllentaleingangshütte. Ein Haus im Miniformat, am Anfang der Klamm gelegen und nur von Wasserrauschen und steilen Bergwänden umgeben. Ein Ort naturgegebener Ruhe – an dem seit heuer eine Argentinierin als Hüttenwirtin übernommen hat ... wie geht das zusammen? spiel vor bestimmten Witterungen. Und ich fühle mich hier trotzdem ruhiger als im Tal. Woran liegt das? Das ist ein Gefühl. Wenn du in der Früh an- fängst, Feuer zu machen, dann Wasser für den Mate-Tee aufsetzt … hier gibt’s kein Auto, und morgens keinen Menschen. Du hörst nur die Geräusche vom Hammers- bach. Das ist meine Ruhe. Aber wenn Gäste kommen, ist die Ruhe doch vorbei? Ja, aber dann ist der Stress meine Ruhe sozusa- gen. Ich gucke immer durch die Tür aus der Küche in den Gastraum – und wenn ich sehe, dass jemandmeinen Kuchen isst und es gibt ein Lachen im Gesicht oder so etwas, dann ist das genug. Und auch, wenn die Arbeit als Sekretä- rin imVergleich vielleicht ruhiger war, habe ich das nicht so empfunden. Ich habe immer viel und gerne gearbeitet, bin ein fleißiger Mensch. Trotzdem war es damals schwer, morgens auf- zustehen. Hier bin ich froh, wenn ich in der Früh anfangen kann. Viel von meinen Ideen und Vorstellungen einzubringen, das macht mich glücklich. Ich kann den stressigeren Job mit Ruhe ausführen, weil ich Spaß habe.

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