Das Grasegger Magazin - No.10

21 Dieser Rat von ihrem Bruder Thomas, der Annemie Grasegger zeitlebens im Geschäft begleiten sollte, war für sie mehr als nur ein Spruch. Er wurde zur Lebenseinstellung. Haltung beweisen, den Überblick behalten und immer ganz nah an den Kunden, den Menschen sein – das hat sie uns stets vorgelebt, als unsere Seniorchefin, vor allem aber als Mutter, Schwiegermutter und meine Oma. Außerdem war sie die wahrscheinlich kritischste Leserin dieses Magazins. So hinterfragte sie an ihrem berühmten Mittagstisch immer dann, wenn der Stress in der heißen Phase besonders hoch wurde, ob sich denn der ganze Aufwand lohnt. Spätestens mit der druckfrischen Ausgabe in der Hand war sie aber immer wieder aufs Neue begeistert und forderte sofort 15 Exemplare an. Inklusive Briefbogen und Kuvert, um sie an ausgewanderte Freunde zu schicken. Als jährlichen Gruß aus der Heimat. Wenn man über meine Oma nachdenkt, über das, was sie erzählt und getan hat, aber auch, was ihr wichtig war, dann muss man immer im Kopf haben, welche Zeiten sie erlebt hat. Geboren in den „Goldenen Zwanzigern“ und dann im Krieg im Arbeitsdienst – unter anderem während der Bombardierungen als Straßenbahnschaffnerin in München. Vor allem aber Geschäftsfrau in der Wirtschaftswunderzeit, die noch selbst in die Fertigungen fuhr, um dort Kofferräume voll neuer Bekleidung einzukaufen. Egal ob Lodenrock oder neonfarbene Elho Skianzüge. Sie war zeitlebens eine moderne Frau. Bildung und Kultur waren ihr wichtig. Die Welt wollte entdeckt werden. Ihre Heimat samt Familie war aber der Fixpunkt, um den sich alles drehte. Nach über 97 erfüllten Lebensjahren hat sie nun ihre Augen geschlossen. Bis zuletzt blieb sie sich treu in ihrer Art und ihren Aussagen, die sie uns mit auf den Weg gab. Und ist in Gedanken noch mitten unter uns. Trauer, und vor allem die damit verbundene Trauerfarbe schwarz, waren ihr seit dem plötzlichen Tod ihrer Mutter und dem kurz darauffolgenden Kriegstod ihres Bruders Thomas ein Graus. Deshalb trauern wir nicht, sondern erinnern uns. In freundlichen Pastelltönen, die ihr am allerliebsten waren. Danke Oma. Für viele besondere Erinnerungen und Lebensmomente. »Stell Dich an die Kasse und sag laut Grüß Gott«

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