Grasegger Magazin - Fahrtwind

GESPRÄCH Ensemble fügt. Schwebendes Jesuskind, strahlendes Universum und die Überraschung, dass diese moderne Interpretation von einem 80-jährigen Grainauer stammt. Oder der aktuelle Grasegger- Fischgratstoff, der im Volkskunstraum zu finden ist und ganz selbstverständlich zu den ersten Umriss- radierungen der Werdenfelser Tracht von Felix Neureuthers Ururururgroßvater (Entschuldigung) passt. Eine besondere Brücke zur Gegenwart schlägt das älteste in Bayern erhaltene Bett von 1583. Denn der letzte dort drin gezeugte Mensch ist Sepp nicht nur bekannt, sondern seine Schulfreundin und bis heute gern gesehener Museumsgast. Beim filigranen Exponat des Oberammergauer Bildhauers Josef Fux, der die ganze Lebensgeschichte Jesu in einen Granatapfel brachte, verweilen wir. Denn Sepp erzählt, dass Fux auch viele Holzobjekte für den amerikanischen Künstler Jeff Koons schnitzt (lebensgroßer Koon-Akt samt dessen Frau inklusive) und so traditionelles Schnitzhandwerk mit ironisie- render Alltagskunst vereint. In der alten Werdenfelser Bauernstube stoßen wir auf Museumspädagoge Reinhard Nießner. Er ist so neu wie der noch zu erkundende Anbau und möchte mit frischen Führungsformen noch mehr Kinder (haben freien Eintritt) ins Museum locken. Im Dialog entdecken, diskutieren und im Anschluss kreative Bastelzeit – „Ziel ist es, altes Wissen durch neue, kindgerechte Zugänge mit der Gegenwart zu verbinden.“ Nach seinem „schau dich mal um, was ist denn hier das Abendprogramm?“ bin auch ich kurz versucht, das Kaminkastl für den versteckten Fernseher zu halten. Und merke im anschließenden Gespräch, dass der traditionelle Kern des Museums noch etwas kann – Menschen dazu bringen, aus dem Alltag zu fallen und genau deshalb miteinander zu reden, auch über ganz aktuelle Themen. Dank Dingen, denen man sonst nie begegnet wäre. Wie der Mehlsackklopf- maschine, die Sepps harmlosen Semmelholplan beim Bäcker Braun durchkreuzte. Solch Angebote mit handfesten Folgen passieren ihm oft: „Du, host du a Moisackklopfmaschine? De konnst mitnemma fürs Museum.“ So kommt oft eins zum anderen und immer wieder Stücke hinzu. Auch ein Grund, warum angebaut und mehr Platz her musste. Wir nähern uns also dem neuen, hinteren Teil und ich frage ihn, was bei der Gestaltung wichtig war. „Dass er dem historischen Bestandsgebäude nicht die Schau stiehlt“ , sagt Sepp. „Sich mit Stadlcharakter sowie zeitlosen, klassischen Materialien eher zurücknimmt und deshalb eine stimmige Verbindung schafft.“ Und genau so empfinde und sehe ich es, als wir vom „Abenteuerspielplatz“ (Ausstellungs- raum unterm Dach des Haupthauses) den Anbau betreten: ein nach unten versetztes, lichtes Treppen- haus, typische, blaugrüne Farbelemente, schlichte Eisenhandläufe, weiße Wände, viel Holz und dann … eine neue Welt. Über die Galerie und zeitgenössi- sche Holzobjekte hinweg zum bodentiefen Panoramafenster. Wie gut sich doch Perspektivwechsel anfühlen, denke ich in diesemMo- ment, und als könne er Gedanken lesen sagt Sepp: „Dieser Wechsel ist gewollt. Wir brauchten nicht noch fünf Zimmer mit je 20 qm. Das Leben geht ja weiter und wir wohnen heute auch in anderer Form.“ Trotzdem besticht der Sonderaus- stellungsraum mit nostalgischer Ruhe und legt ohne digitales Spektakel den Fokus auf die gezeigten Stücke. Die ihre Geschichten ohne Beschreibungsschilder erzählen und sich aktuellen Themen widmen. Zwischen lebensgroßer Holz- skulptur und verewigter Amy Whinehouse- Geschichte frage ich Sepp, wo er persönlich alt und neu zusammenbringt. Er kommt zurück zum Bild. „Ich mag moderne Malerei in alten Rahmen. Ein falscher Rahmen macht das beste Buidl kaputt, ein richtiger schlägt die Brücke zwischen verschiedenen Motiven und Epochen.“ Drum darf ein Hand- abdruck des spanischen Künstlers Antoni Tàpies sein heimisches Krippenensemble begleiten und mir wird bewusst, dass die Verbindung vonTradition und Moderne viel Gespür braucht. Und Mut. Sepp reißt mich vom gesellschaftskritischen Ventil- kopf los und führt mich in den neuen Zugspitz- raum. Dass der ihm sehr am Herzen liegt, merke ich sofort. Und könnte Sie mit vielen weiteren Geschichten beglücken. Von der verschollenen Reintalkarte, die dank Tippfehler lange in der Versenkung blieb, über den ursprünglich grünen Standort der Knappenhäuser bis zu Sepps eigenem Haslnusssteckn in der Bergsteiger-Selfie-Station. Stattdessen verbleibe ich mit dem Satz einer Besucherin, die zeitgleich mit uns das Zugspitz- kreuz erreicht: „Das hätte ich mir nicht so groß vorgestellt“ flüstert sie und Sepps Augen leuchten auf. In der interaktiven Medienstation – mit Blick aufs alte Original. „Du Sepp, host du a Moisackklopf- maschine?“

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