Das Grasegger Magazin - Gipfelbuch
64/ 65 Gilt das veränderte Gästeverhalten denn für das ganze Jahr? MH: Ja, das hat sich imWinter auf das Glei- che geändert. Wir haben jetzt eine Lücke zwi- schen 8-9 Uhr, das war früher Stoßzeit, jetzt ist da nichts mehr los. PH: Und wenn der Mensch dann konsumiert, möchte er nicht mehr warten. Er möchte alles just-in-time und zeitgemäß haben, das zieht sich durch unser ganzes Leben. Außerdem sind wir ja auch Unternehmer und wollen Geld verdienen und orientieren uns daher an dem, was der Kunde von uns erwartet: Kurze Wartezeit, schöner Ausblick, neue Seilbahn. Das ist wie beim Auto, da muss alle 10 Jahre ein Neues her, sonst ist es nicht mehr interessant. Außer beim ema Tradition bzw. Nostalgie, da verhält es sich anders – bei Grasegger sind das die Original- trachten, bei uns ist es die Museumsbahn. Da fahren wir weiterhin mit der alten Berg- lokomotive, das ist die andere Seite dazu. Aber generell passt der Autovergleich – ent- weder muss es ein Oldtimer oder eben ein Neuwagen sein. Dazwischen gibt es nichts. Das normale Produkt ist im Freizeitbereich schwer zu verkaufen. Warum ist jetzt der richtige Zeitpunkt für den Neubau? PH: Die wirtschaftliche Lage, sprich der Kapi- talmarkt dafür, ist gerade sehr gut. Wir haben zudem das Glück gehabt, dass sowohl Auf- sichtsrat als auch Gesellschafter bereit waren, das Investitionsrisiko einzugehen. Dieses kann man zwar abschätzen, aber in letzter Konse- quenz ist es immer der unternehmerische Mut, der hier entscheidet. Ich kann hier auch sitzen und warten, bis mir jemand was anschafft. Aber dann ist irgendwann Stillstand. Und alle Betei- ligten wollten und wollen keinen Stillstand. MH: Also die Wahrheit ist, die Techniker haben von der alten Dame genug gehabt, die wollten eine junge (beide lachen). PH: Das ist bildlich gesprochen. Es gibt auch ältere, sehr attraktive Damen. MH: Ja, und es ist schön, dass sich mit den Jahren der Begriff „alte Dame“ etabliert hat. Die neue Konstruktion ist eine Pendelseil- bahn, was ist das? PH: Die neue Bahn ist das Gleiche wie die Alte. Nur größer und eben neu, sie bietet dann pro Kabine bis zu 120 Menschen Platz. Das Pendelbahnprinzip bedeutet, dass zwei Ka- binen an einer geschlossenen Seilschleife hän- gen, eine fährt runter und die andere fährt gleichzeitig rauf, weil sie miteinander verbun- den sind. Sie fahren im Pendelbetrieb und sind voneinander abhängig. MH: Und mit der Stützenanzahl hat die Begriffsdefinition auch nichts zu tun. Im Unterschied zur jetzigen Bahn, die eben noch zwei Stützen hat, bekommt die Neue nur noch eine Stütze. Das Fahrerlebnis wird dadurch noch spektakulärer. Was sind die Vorzüge dieser Bauart? PH: Technisch gesehen ist dies im Hinblick auf die gewünschte Förderleistung eine der wenigen Möglichkeiten, diesen einmalig großen Höhenunterschied zu überwinden. Dazu kommt, dass man hier vom Energiebe- darf wesentlich günstiger ist, als bei den an- deren Umlaufbahnen mit vielen Kabinen. Und wir als Betreiber sehen es als Vorteil, dass die Gäste im Fahrzeug nicht alleine sind. Da ist immer ein Mitarbeiter von uns dabei, der die Gäste betreut und, wenn wirklich mal eine Störung ist, auch beruhigt. Was ist auf der jetzigen Baustelle wie damals (Bau 1962) und was ist anders? MH: Wir waren auf der alten Baustelle zwar beide nicht dabei (lacht), aber es gab dort nur ein Telefon und zwei Funkgeräte. Auf der heutigen Baustelle gibt es wie viele, 100 Telefone? Und als meistgesagten Satz: Hast du die E-Mail schon gelesen? PH: Sie haben damals viel genauer überlegen müssen, was sie wann und wo tun – weil die Kommunikation und Logistik längst nicht so ausgefeilt waren. Da wurde das Rucksack- packen genau geplant. Denn es dauerte sonst einen Tag, bis der nächste Rucksack kam. Und sie hatten damals auch keine Seilbahn vom Tal unten, sämtliches Material musste mit dem Zug zum Schneefernerhaus und von dort weiter rauf zum Gipfel. Ein Riesenauf- wand und Unterschied. Heute ist alles, wenn es sein muss, in einer halben Stunde von Grainau hier oben. Welche Baustellen-Anekdoten werden gerne erzählt? PH: Beim damaligen Bau sind viele Bau- arbeiter von der Stütze 2 bzw. von der Station Schneefernerhaus auf den Gleisen runter ins Tal gerutscht. Die haben sich auf die AluminiumMilchkanne gesetzt und sind auf der Zahnstange runter. Das ist heute auf- grund der Arbeitssicherheit natürlich nicht mehr möglich und damit bitte nicht zur Nachahmung freigegeben (lacht). Techniker unter sich Gemeinsam im Baustellen-Schreibtisch-Pendelbetrieb.
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