Das Grasegger Magazin - Berg. Schaf. Wolle.
32 / 33 Doch wenden wir uns wieder dem Hirtenall- tag in den Bergen zu. Da gibt es natürlich Anekdoten, die man nicht vergisst. Karl er- innert sich zum Beispiel besonders an ein „Alleingangschaf“ mit Bergsteiger-Mission. Das hielt ihn und viele Helfer über zwei Wo- chen lang in Atem. Und das ist wörtlich ge- meint. Es war ein Tag am Stuibn, wo er die Herde mit einem Kollegen sammelte, um den jährlichen Abtrieb vorzubereiten. „Alle waren schon im Aufbruch, als es plötzlich hieß: Achtung, da ist ein Schaf auf der Alp- spitze. Also sind wir mit drei Mann auf die Alpspitze rauf und haben über eine Stunde gesucht – vergeblich. Vielleicht doch ein Scherz? Oder Fels-Verwechslung? Also die Ferrata wieder runter. Nochmal telefoniert. Nein, da ist wirklich ein Schaf oben. Und so war es dann auch. Ausgerechnet ein graues Bergschaf - das da hockte und sich nicht rührte. Nur kurz vorm Zugriff, kam zuver- lässig Bewegung in die Sache. Wir haben mit diesem Schaf 14 Tage lang Fangen gespielt. Finden, treiben und weg war’s! Dann ein neuer Tipp: Auf dem Längenfelder. Ich also vomWank runter, Längenfelder rauf, wieder gesucht. Schlussendlich war es im Höllental. Alleine.“ Und wurde am Tag 15 wieder zum Herdentier. Warum es bei jedem Kontakt so panisch floh? Karl vermutet ein Hundeerleb- nis als mutmaßlichen Auslöser. Das ema „grasendes Schaf trifft auf freilau- fenden Hund“ kennt Ham nur allzu gut. Denn außer Adler und Fuchs, die sich manchmal an zu früh geborenen Lämmern vergreifen, sind nicht angeleinte Hunde die Hauptfeinde für seine Herde am Stepberg. Denn es stürzen immer wieder Schafe ab, die sich vor Hunden erschrecken. „Er muss nicht mal reißen, es langt scho, wenn er die Tiere im Freiweidegebiet spielerisch hetzt. Ich würde mir wünschen, dass sich mehr Hun- debesitzer an das Anleinen halten.“ Denn mal abgesehen von den Todesfällen, muss jedes abhanden gekommene Schaf aufwendig ge- sucht werden. Das bringt mich auf das ema Schäferei 2.0 und die Frage, ob GPS-Geräte zum Einsatz kommen? Karl ist da am Start. Mit drei Test- schafen, die entsprechende Halsbänder tra- gen und somit digitale Standortspuren hinterlassen. Diese Technik könnte auch den Verwaltungsaufwand reduzieren. So wird momentan jedes Schaf händisch in einer Da- tenbank erfasst. Im Frühjahr ein- und im Herbst wieder ausgetragen. Da wäre so ein elektronisches Helferlein gerade recht, um das Schafleben zu schützen und den Hirten- kopf zu entlasten. Aber das ist noch Zu- kunftsmusik, denn die aktuellen Transponder sind zu teurer und zu schwer. „Ziel ist es, einen kleinen Chip in die Ohrmarke zu inte- grieren.“ Ein Hirte, der auf IFA-Technikmes- seniveau ist. Denke ich mir, bis sein Handy klingelt. Dann relativiert sich die Sache. Denn Karl zieht eine Nokia-Uraltversion aus der Tasche. Und zaubert damit ein Grinsen in mein Gesicht. Doch zurück zum Anfang und meinen Ge- danken rund um die heimischen Hirten. Das Resümee? Interessante Einblicke in das Leben zweier Werdenfelser Originale mit folgender Erkenntnis: Diese Männer sind Realisten, Raubeine und Romantiker in Einem. Ihren Tieren und deren Leben eng verbunden. Mit keiner verniedlichenden, aber sehr herzlichen Beziehung zu jedem einzelnen Schaf. Und das Schaf? Erlebt mehr als man denkt. Text: Lisa Rühl „Da moanst du musst s’Autofahrn neu lernen“ GESPRÄCH
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